Digitaler Nomade – Homeoffice am Meer?

Digitaler Nomade – Homeoffice am Meer?

Was ist eigentlich ein digitaler Nomade? Auf Instagram und in anderen sozialen Netzwerken inszeniert sich diese Berufsgruppe gern an den schönsten Stränden der Welt. Ein freies und ungebundenes Leben mit der Möglichkeit, jederzeit an die Orte zu reisen, die uns am besten gefallen. Wer täglich acht Stunden im Großraumbüro sitzt oder im Schichtdienst an einer Produktionsanlage beschäftigt ist, blickt nicht ohne Neid auf die neuen Arbeitszeitmodelle. Doch ist es wirklich ein Sehnsuchtsjob, der in bunten Bildern präsentiert wird? Ein Blick hinter die Kulissen.

Ein digitaler Nomade arbeitet am Strand

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ein digitaler Nomade arbeitet ohne Anwesenheitspflicht ausschließlich im Homeoffice
  • Für seinen Job benötigt er einen Computer mit Internetanschluss
  • Er kann seinen Arbeitsort frei wählen
  • Für die Erbringung der Arbeitsleistung werden digitale Technologien genutzt
  • Oftmals handelt es sich um eine freiberufliche oder selbstständige Tätigkeit

Ausbruch aus der klassischen Arbeitswelt

Noch heute arbeiten fast Dreiviertel der Beschäftigten in Anstellung nach einem festen Schema: Der Chef bestimmt den Arbeitsort und die Arbeitszeit. Oftmals auch den Urlaub: In zahlreichen Unternehmen ist es für Beschäftigte ohne Kind nicht möglich, während der Ferienzeiten Urlaub zu bekommen. Wenn wir bedenken, dass sich die Ferien sehr prominent im Hochsommer und um die großen bundesweiten Feiertage herum organisieren, mag dies manchem ungerecht erscheinen. Dass das Bundesurlaubsgesetz eine solche Einschränkung gar nicht vorsieht, soll in diesem Artikel nicht das Thema sein.

Eine strikte Arbeitszeiterfassung, umschrieben mit dem Begriff der Stechuhr, ist in vielen Unternehmen selbstverständlich. Wer zu spät kommt, geht das Risiko einer Abmahnung ein. Nicht selten auch dann, wenn es für die Unpünktlichkeit triftige Gründe gab, die der Beschäftigte gar nicht zu verantworten hat. Hier steht das Gesetz auf der Seite der Arbeitgeber: Mitarbeiter haben dafür zu sorgen, dass sie pünktlich zur Arbeit erscheinen. In einem großen Unternehmen mit festen Strukturen ist es klar, dass nicht jeder kommen kann, wann er möchte. Aber der fehlende Nachwuchs in vielen Branchen beweist, dass vor allem junge Menschen aus dieser Mühle ausbrechen möchten.

Work-Life-Balance heißt das Zauberwort. Die Digitalisierung ermöglicht es, den Traum von einem selbstbestimmten Arbeitsleben zu realisieren. Für viele klassische Berufe gibt es keine Nachfolger. Es betrifft vor allem Branchen mit unregelmäßigen Arbeitszeiten, schwerer körperlicher Arbeit und geringer Bezahlung. Dafür steigt der Anteil derjenigen, die ihr Geld in der digitalen Welt verdienen, weiter an.

Was machen digitale Nomaden beruflich?

Diese Frage stellt sich vorrangig die ältere Generation. Wer heute seinen 60. Geburtstag hinter sich gelassen hat, kennt mit wenigen Ausnahmen nur das feste Arbeitsschema. Es hat nach wie vor seinen Platz, in der Arbeitswelt.

Viele Beschäftigte fühlen sich damit wohl. Sie arbeiten in Unternehmen, die ihren Mitarbeitern trotz fester Arbeitszeitmodelle einen gewissen Freiraum geben. Gute soziale Strukturen und die Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse Einzelner haben eine immer größere Priorität. Angesichts eines eklatanten Fachkräftemangels haben Firmen ihre Strukturen umgebaut. Aber dennoch wächst mit dem Homeoffice eine Konkurrenz, aus der sich der digitale Nomade entwickelt hat: Er arbeitet zeitlich und örtlich vollkommen unabhängig.

Ein digitaler Nomade ist ein Unternehmer oder auch Arbeitnehmer, der fast ausschließlich digitale Technologien anwendet, um seine Arbeit zu verrichten und zugleich ein eher ortsunabhängiges beziehungsweise multilokales Leben führt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Digitaler_Nomade

Digitale Nomaden sind in ganz unterschiedlichen Bereichen tätig. Sie schreiben, fotografieren, übersetzen oder analysieren. Sie programmieren, entwickeln Webseiten oder haben sich auf die Suchmaschinenoptimierung spezialisiert. Alle beziehen ihre Aufträge auf digitalem Weg.

Digitale Nomaden in einer Anstellung gibt es auch. Die Bezahlung erfolgt in Form eines festen Gehalts oder als Projektlohn in Verbindung mit einer Vertrauensarbeitszeit: Das Projekt muss zu einem bestimmten Zeitpunkt fertig sein.

Grundsätzlich kann sich jeder für das digitale Nomadentum entscheiden, der keine Anwesenheitspflicht hat. Wer in Branchen arbeitet, die voll digitalisiert sind, kann seinen Arbeitsort frei wählen. Dazu zählen unter anderem:

  • Banken
  • Versicherungen
  • Rententräger
  • Unternehmen mit firmeninternem Netzwerk (Intranet)
  • Webdesigner
  • Softwareentwickler

Die Digitalisierung und das Internet haben nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens und der Arbeitswelt erobert. Dennoch gibt es auch in Zukunft zahlreiche Berufe, in denen die persönliche Anwesenheit am Arbeitsort erforderlich ist.

Homeoffice vs. Digitaler Nomade

Das Homeoffice gibt es schon lange. Seit der Coronapandemie hat es sich in der Arbeitswelt etabliert. Viele Unternehmen haben während der Kontaktbeschränkungen in eine Infrastruktur investiert, die es ihren Beschäftigten ermöglicht, die Arbeitsleistung von zu Hause aus zu erbringen. Dieses System wurde nach dem Ende der Pandemie beibehalten. Es gibt Arbeitszeitregelungen mit einer temporären Anwesenheitspflicht. In vielen Bereichen teilen sich Mitarbeiter ein Büro und entscheiden individuell, wer an welchen Wochentagen vor Ort arbeitet. Einige Unternehmen haben ihre Büros aufgelöst. Die Beschäftigten sind ausschließlich im Homeoffice tätig.

Zwischen der Tätigkeit im Homeoffice und der Arbeit als digitaler Nomade gibt es einige Unterschiede:

  • Der digitale Nomade wechselt regelmäßig seinen Aufenthaltsort
  • Er hat keine festen Arbeitszeiten
  • Er hat bei Anstellung in einem Unternehmen keine Anwesenheitspflicht

Was verlockend klingt und auf sozialen Netzwerken so traumhaft präsentiert wird, sieht in der Realität ein wenig anders aus. Wie arbeiten digitale Nomaden wirklich und worauf müssen sie achten?

Der Alltag eines digitalen Nomaden

Es gibt digitale Nomaden, die sich als Influencer auf sozialen Netzwerken inszenieren und von ihrem unabhängigen Leben schwärmen. Doch Instagram und Co sind leider mehr Schein als Sein. Es gibt Weltenbummler, die ein gut gefülltes Konto haben und sich nur ein kleines Taschengeld hinzuverdienen. Sie schwärmen von dem unabhängigen Arbeitsleben und würzen ihre Storys mit bezahlter Werbung. In der Realität sitzen sie nur selten an ihrem Laptop, um mit digitalen Dienstleistungen Geld zu verdienen.

Wer als digitaler Nomade seinen Lebensunterhalt verdienen möchte, hat viele Dinge zu bedenken. Es gibt eine Steuerpflicht, es gibt Zeiten der Krankheit und es fallen Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Visa an. Ist es überhaupt möglich, ständig durch die Welt zu reisen, und wo kommt der Digitalworker seiner Steuerpflicht nach?

Wohnsitz in Deutschland?

In Deutschland besteht eine Meldepflicht. Diese gilt aber nur für Bürger, die hier ihren Wohnsitz haben. Jeder hat die Freiheit, sich abzumelden, um in einem anderen Land zu leben. Innerhalb der EU können Sie Ihren Wohnsitz frei wählen. Für einen längeren Aufenthalt in anderen Ländern ist ein Visum erforderlich. Grundsätzlich ist es möglich, mit einem Touristenvisum von Land zu Land zu reisen.

Im Reisepass ist keine Adresse aufgeführt. Somit können Sie ohne festen Wohnsitz als digitaler Nomade arbeiten. Für die Eröffnung eines Girokontos oder den Abschluss einer Versicherung genügt eine Adresse, über die Sie erreichbar sind. Dies kann die Anschrift eines Familienmitgliedes oder eines engen Freundes sein.

Krankenversicherung und Lebenshaltung

Eine Auslandskrankenversicherung unverzichtbar. Sie muss die Länder einschließen, in denen Sie sich aufhalten. Achten Sie darauf, die Versicherung für den gesamten Zeitraum ihres Aufenthalts abzuschließen.

Die Kosten für die Reise, die Unterkunft und die Verpflegung müssen aus dem Einkommen erwirtschaftet werden. Informieren Sie sich vorab über die Lebenshaltungskosten in den Ländern, in denen sie sich aufhalten möchten.

Persönliche Voraussetzungen für das digitale Nomadentum

Digitale Nomaden lassen sich auf ein Arbeitsleben mit hohen Anforderungen ein. Es gibt kein festes Gehalt und keine finanzielle Sicherheit. Die Kollegen fehlen, Familie und Freunde leben tausende Kilometer entfernt. Zwar ist es interessant und bereichernd, Menschen aus unterschiedlichen Kulturen kennenzulernen. Doch ob das ein Ersatz für die sozialen Bindungen in der Heimat sind, müssen Sie individuell entscheiden.

Eine hohe Disziplin und eine sehr gute Fähigkeit zur Organisation sind wichtige Eigenschaften, die Sie mitbringen müssen. Gleiches gilt für das finanzielle Polster, das in der Startphase vorhanden sein sollte. Digitale Nomaden bekommen keinen bezahlten Urlaub und kein Krankengeld. Ob Sie von ihrer Arbeit leben und reisen können und wie hoch der zeitliche Aufwand ist, sind Fragen, die Sie für sich vor dem Start in das neue Leben beantworten müssen.

Was ist mit der Steuerpflicht?

Steuern zahlen Sie in dem Land, in dem Ihr Auftraggeber seinen Firmensitz hat. Sind Sie ausschließlich für deutsche Auftraggeber tätig, bleiben Sie in Deutschland steuerpflichtig. Dies gilt auch dann, wenn kein Wohnsitz angemeldet ist. Sitzen Ihre Auftraggeber in einem anderen Land, besteht die Steuerpflicht in dort.

In diesem Zusammenhang gibt es die sogenannte 183-Tage-Regelung: Halten Sie sich mindestens 183 Tage in Deutschland auf, bleibt die Pflicht zur Einkommenssteuer bestehen. Dies gilt auch für den Fall, dass Sie in Deutschland keinen Wohnsitz mehr haben oder wenn sich dieser in einem anderen Land befindet.

Wie verhält es sich mit der Arbeitserlaubnis?

Innerhalb der Europäischen Union benötigen Sie keine Arbeitserlaubnis. In allen anderen Ländern ist eine Arbeitsbewilligung erforderlich. So weit die Theorie.

In der Praxis befinden Sie sich in einer rechtlichen Grauzone. In der Regel kontrolliert niemand, was Sie tun, wenn Sie mit dem Laptop auf dem Schoß am Strand sitzen. Sie könnten ihre Urlaubsfotos sortieren oder ein Buch lesen.

Mit dem Eintreten der Steuerpflicht in einem Land außerhalb der EU könnte es Probleme geben. Deshalb gilt es, für die Länder eine Arbeitserlaubnis zu besorgen, aus denen Ihre Auftraggeber kommen. Dies umgehen Sie, wenn Sie Ihren Wohnsitz in Deutschland behalten oder nur für Auftraggeber aus der EU arbeiten.

Einen geeigneten Arbeitsort finden

Digitale Nomaden zeichnen sich dadurch aus, dass sie an jedem Ort der Welt arbeiten können. Doch eignet sich auch jeder Ort der Welt zum Arbeiten? Die Antwort ist „nein“. Es müssen schon einige Voraussetzungen gegeben sein.

  • Stabiles Internet
  • Ruhige Arbeitsumgebung
  • Angenehme Temperaturen
  • Zeitverschiebung muss vertretbar sein
  • Digitales Arbeiten muss im Gastland möglich sein

Diese Voraussetzungen klingen einfacher, als sie es in der Realität sind. Der schöne Palmenstrand, von dem der digitale Nomade grüßt, hat nicht immer ein stabiles Internet. Wer eine wichtige Videokonferenz verpasst, weil die Leitung nicht stabil ist, hat ein großes Problem.

Eine ruhige Arbeitsumgebung ist nicht nur bei Videokonferenzen erforderlich. An einem belebten Traumstrand leidet die Konzentration. Durch eine Zeitverschiebung von mehreren Stunden kann es zu Schlafmangel kommen. Hohe Temperaturen können zu einem Problem werden, wenn ein Auftrag kurzfristig fertigzustellen ist.

Digitales Nomadentum – nicht für jeden geeignet

Bereits bei der Organisation zeigt sich, dass es anspruchsvoll sein kann, den Job zu kündigen und als digitaler Nomade irgendwo auf der Welt durchzustarten. Keineswegs sollten die eindrucksvollen Bilder der Influencer mit ihrem Laptop unter Palmen die einzige Verlockung darstellen. Das Leben als Freiberufler oder Selbstständiger ist anspruchsvoll und bedarf einer guten Planung. Sicher gibt es viele Vorteile: Die freie Einteilung der Arbeitszeit, das Kennenlernen neuer Länder und Kulturen und kein Chef, der die Aufgaben verteilt, sind positive Aspekte.

Doch es gibt Nachteile: Die fehlende finanzielle Sicherheit und der Mangel an Sozialkontakten sind häufige Ausschlusskriterien. Und nicht jeder Traumstrand eignet sich zum Arbeiten: Die wichtigste Säule des digitalen Nomadentums ist das Internet. Wenn Aufträge aufgrund eines Verbindungsabbruchs verloren gehen, stellt dies ein großes Problem dar.

Nicht von den Vorzügen blenden lassen

Die Grundlage für ein erfolgreiches Leben als digitaler Nomade ist eine kluge und durchdachte Entscheidung. Keineswegs sollten die Berichte von Influencern dazu verleiten, von heute auf morgen den Job auszugeben und in die Karibik zu fliegen.

Digitales Nomadentum benötigt Vorbereitung und Organisation. Es ist wichtig, alle Aspekte zu beachten. Auch die negativen Punkte müssen Berücksichtigung finden. Erst wenn alle Eventualitäten bedacht und die persönlichen und beruflichen Voraussetzungen gegeben sind, sollten Sie den Schritt wagen.

Abkehr vom Job – mit guter Organisation kann es klappen

Die Abkehr vom klassischen Job mit regulären Arbeitszeiten und dem Chef als Taktgeber ist ein Wunsch, den viele Menschen in sich tragen. Die Vorstellung, an jedem Ort der Welt arbeiten zu können, ist verlockend. Doch es gibt einiges zu bedenken: Reicht das Geld für den Lebensunterhalt? Möchte ich in wechselnden sozialen Strukturen leben? Was ist, wenn ich erkranke?

Eine gute Organisation ist die wichtigste Grundlage für den Start in das digitale Nomadentum. Das Homeoffice am Meer kann Realität werden und einen guten Verdienst bescheren. Doch es ist weder eine Selbstverständlichkeit noch ein Selbstläufer. Hinter dem Fotogruß mit dem Laptop unter der Palme steckt in den meisten Fällen harte Arbeit.


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