Uneheliches Kind enterben? – Es bleibt der Pflichtteil
Kann ich mein uneheliches Kind enterben? Diese Frage stellen Eltern in Familien, in denen das Stiefkind aus verschiedenen Gründen nicht bedacht werden soll. Das klassische Beispiel: Eine Frau wird von einer Affäre schwanger. Später heiratet sie und bekommt mit ihrem Mann ein eheliches Kind. Der Mann möchte das Stiefkind nicht adoptieren. Beide wollen dem gemeinsamen Nachwuchs möglichst viel zukommen lassen. Die Gesetzgebung geht da nicht mit: Das Stiefkind hat einen Anspruch auf den Pflichtteil. Dieser lässt sich nicht so einfach auslöschen: Schenkungen zu Lebzeiten verhindern den Erbanspruch nur bedingt. Vor allem Wohneigentum ist im Rahmen des Pflichtteils geschützt. Doch wie kommen uneheliche Kinder an ihren Pflichtteil und wie können sie ihn ermitteln? Hier liest du einen leicht verständlichen Leitfaden, der sich vorrangig an uneheliche Kinder richtet, die von ihren Eltern enterbt wurden.

Das Wichtigste in Kürze:
- Uneheliche Kinder können nur in extremen Ausnahmefällen gänzlich enterbt werden. Es bleibt ihnen der Pflichtteil
- Der Pflichtteil entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbteils
- Es handelt sich nicht um ein klassisches Erbe, sondern um einen Schuldtitel gegenüber dem rechtlichen Erben
- Das uneheliche Kind hat ausschließlich einen finanziellen Anspruch. Alle Vermögensgegenstände werden in einen Geldwert umgerechnet. Persönliche Gegenstände wie Fotos oder Gegenstände können nicht beansprucht werden
- Schenkungen zu Lebzeiten können unter bestimmten Voraussetzungen auch in das Erbe einfließen. Sie lösen einen sogenannten Pflichtteilergänzungsanspruch aus
Ein leibliches Kind enterben – geht das überhaupt?
Leider lautet die Antwort auf diese Frage „ja“. Allein der Erblasser bestimmt, was mit seinem Vermögen nach dem Tod passieren soll. Nicht immer möchten Eltern alle Kinder zu gleichen Teilen bedenken. Nicht nur uneheliche Kinder sind von dem Ausschluss aus der gesetzlichen Erbfolge betroffen: Es gibt auch Eltern, die sich für eine Enterbung ihres ehelichen Nachwuchses entscheiden.
Eine vollständige Enterbung ist in der Regel nicht möglich. Bist du per Testament von der Erbfolge ausgeschlossen worden, kannst du gegen den oder die Erben einen Pflichtteil beanspruchen. Dieser beträgt die Hälfte von dem Wert, der dir per Testament zugestanden hätte.
Der Pflichtteil bleibt
Eine Enterbung tut oft weh. Dies gilt vor allem dann, wenn du im Grunde ein gutes Verhältnis zu deinem Vater oder deiner Mutter hattest und nach dem Tod von der Entscheidung überrascht wurdest. Es gibt aber auch Konstellationen, in denen du allein wegen deiner unehelichen Geburt benachteiligt bist. Dies ist der Fall, wenn Vater oder Mutter heiraten und ein Berliner Testament aufsetzen.
Dir bleibt der sogenannte Pflichtteil: Dieser beläuft sich auf die Hälfte des dir zustehenden Erbes und wir als Geldwert umgerechnet und ausgezahlt. Du bekommst ihn nicht automatisch, sondern du musst ihn einfordern. Das ist keine leichte Entscheidung. Doch dir steht dein Anteil per Gesetz zu. Du kannst verzichten, aber das will gut überlegt sein, weil es ein endgültiger Entschluss ist.
Die gesetzliche Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge sieht vor, dass leibliche Kinder ihre Eltern zu gleichen Teilen beerben. Dass du unehelich auf die Welt gekommen bist, spielt keine Rolle. Allerdings trittst du diese Erbfolge nur bei deinen leiblichen Eltern an: Wenn sie mit anderen Partnern verheiratet sind, haben diese ebenfalls einen Erbanspruch.
Deine Mutter hat dich vor der Ehe zur Welt gebracht. Später bekommt sie mit einem anderen Partner ein zweites Kind: Ein Mädchen. Sie heiratet nie. Nach ihrem Tod sind deine Schwester und du zu gleichen Teilen erbberechtigt.
Wenn sie den Vater deiner Schwester heiratet und er sie überlebt, erbt er nach ihrem Tod die Hälfte des Vermögens. Deine Schwester und du teilen sich die andere Hälfte. Nach dem Tod deines Stiefvaters erbt deine Schwester allein. Du hast nur bei deinem leiblichen Vater einen Erbanspruch.
Die gesetzliche Erbfolge kann nur mit einem Testament geändert werden. Liegt ein solches nicht vor, trittst du mit Halbgeschwistern immer in einen Rang. Dabei spielt es keine Rolle, ob du mit ihnen in einem Haushalt gelebt hast oder ob du sie überhaupt kennst. In der Erbfolge ist jedes Kind bei seinen leiblichen Elternteilen mit gleichem Anteil erbberechtigt.
Mit einem Testament die gesetzliche Erbfolge ändern
Ein Testament steht immer über der gesetzlichen Erbfolge. Eine Anfechtung ist nur in Ausnahmefällen möglich. Die Enterbung eines unehelichen Kindes kommt gar nicht so selten vor: Es gibt Eltern, die per Testament verfügen, dass nur das oder die ehelichen Kinder erben sollen.
Frau Schneider hat einen unehelichen Sohn. Mit dem Vater des Jungen hat sie nie zusammen gelebt. Als das Kind ein Jahr alt ist, lernt sie einen Mann kennen. Sie heiratet ihn und bekommt mit ihm einen zweiten Sohn. Der Ehemann adoptiert das uneheliche Kind nicht.
Das Ehepaar baut ein Haus, beide wünschen sich, dass der eheliche Sohn es einmal bekommt. Sie setzen ein Berliner Testament auf: Darin setzen sie sich selbst gegenseitig als Alleinerben ein. Der eheliche Sohn erbt nach dem Tod des zuletzt Versterbenden. Der uneheliche Sohn ist von der Erbfolge ausgeschlossen.
In diesem Beispiel kann der uneheliche Sohn seinen Pflichtteil beanspruchen. Doch was ist das überhaupt?
Pflichtteil: Nur Erben erster Ordnung haben einen Anspruch
Im deutschen Recht ist es nicht möglich, einen Erben erster Ordnung vollständig zu enterben. Zu den Erben erster Ordnung zählen:
- Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel)
- Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner
- Eltern des Erblassers (sofern keine Abkömmlinge vorhanden sind)
Nehmen wir das Beispiel von Frau Schneider: Sie hat in ihrem Testament ihren ehelichen Sohn zum Alleinerben bestimmt. Der uneheliche Sohn soll nicht berücksichtigt werden. Für ihn bedeutet dies, dass er nicht Erbe seiner Mutter ist. Er kann keine Gegenstände aus dem Nachlass verlangen, aber er muss auch nicht für Verbindlichkeiten aufkommen. Von dem Erben seiner Mutter – dem Bruder oder dem Stiefvater – kann er eine Geldzahlung verlangen.
Den Pflichtteil entziehen – geht das?
Es ist nur in extremen Ausnahmefällen möglich, einem Kind den Pflichtteilsanspruch zu entziehen: Dazu muss es seinen Eltern nach dem Leben getrachtet oder eine schwere Nötigung in Bezug auf das Verfassen des Testaments begangen haben. Die Rechtssprechung ist sehr streng: Konflikte in der Familie, ein Kontaktabbruch oder andere Spannungen reichen nicht aus, um dem unehelichen Kind das Erbe komplett zu entziehen. Dies gilt auch für eheliche Kinder und andere Erben der ersten Ordnung. Fünf wesentliche Gründe berechtigen zum Verwehren des Pflichtteils:
- Das Kind hat den Elternteil getötet oder selbiges beabsichtigt
- Dem Kind kann die Vorbereitung eines Tötungsdelikts nachgewiesen werden
- Es hat den Elternteil zum Verfassen eines Testaments gezwungen
- Es hat vor einem Notar den Verzicht auf den Pflichtteil erklärt
- Der Anspruch auf den Pflichtteil ist verjährt
Bleiben wir bei dem Erbe von Frau Schneider und gehen wir davon aus, dass der uneheliche Sohn, ich nenne ihn Peter, einen Anspruch auf den Pflichtteil hat. Er möchte den Anspruch vor der Verjährungsfrist geltend machen. Mehrere Jahre vor dem Tod seiner Mutter hatte er den Kontakt abgebrochen, da er von seinem Stiefvater nicht gut behandelt wurde. Dies ist im Sonne des Gesetzes kein Grund für einen Entzug des Pflichtteils. Somit hat Peter den Anspruch. Was muss er nach dem Tod seiner Mutter tun?
Enterbte Kinder müssen den Pflichtteil geltend machen
Ein enterbtes Kind, unabhängig davon, ob es unehelich oder in der Ehe geboren wurde, muss seinen Pflichtteil aktiv geltend machen. Dazu haben sie drei Jahre Zeit. Die Frist beginnt mit der Kenntnis über den Erbfall zu laufen. Erfährt ein Kind erst viele Jahre nach dem Tod des leiblichen Elternteils von der Abstammung, kann das Pflichterbe immer noch angefordert werden. Der rechtliche Anspruch auf das Erbe verjährt erst 30 Jahre nach dem Tod des Erblassers.
Das Berliner Testament in Patchworkfamilien
Frau Schneider hat gemeinsam mit ihrem Ehemann ein Berliner Testament aufgesetzt. Es ist eine Form der Nachlassregelung, die bei Ehepaaren gern Anwendung findet. Es soll sicherstellen, dass die Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden keine Ansprüche stellen können, die das überlebende Elternteil überfordern.
Die gesetzliche Erbfolge sieht vor, dass die Kinder ihre Eltern zur Hälfte beerben. Dies kann beim Besitz einer Immobilie zu einem Problem werden: Das überlebende Elternteil muss den Kindern auf Verlangen die Hälfte des Hauswertes auszahlen. Gleiches gilt mit anderen Vermögenswerten und Bargeld. Auch dann, wenn die Werte die Rente des überlebenden Elternteils absichern sollen.
Im Berliner Testament setzen sich die Eltern zunächst als Alleinerben ein. Dies enterbt die Kinder. Sie können ihren Pflichtteil fordern. Dies würde aber bedeuten, dass sie beim Tod des Letzversterbenden leer ausgehen.
Verzichten ein Kind auf die Einforderung ihres Pflichtteils, bekommt es den vollen Erbteil beim Tod des zuletzt versterbenden Elternteils. Voraussetzung ist allerdings, dass es ein leibliches Kind ist.
Stiefkinder gehen leer aus
Im Falle von Frau Schneider bedeutet das Berliner Testament folgendes: Stirbt ihr Ehemann vor ihr, erbt Peter den gleichen Anteil wie sein Halbbruder. Denn beide sind leibliche Kinder von Frau Schneider.
Anders sieht es aus, wenn Frau Schneider vor ihrem Mann verstirbt. Auch dann ist Peter enterbt. Er wird den vollen Erbanteil von seiner Mutter nie bekommen. Nach ihrem Tod hat er Anspruch auf den Pflichtteil. Diesen muss er einfordern, weil er nach dem Tod seines Stiefvaters leer ausgeht. Der Halbbruder ist in diesem Fall Alleinerbe.
Ehegatten, in deren Familien es Stiefkinder gibt, sollten beim Berliner Testament berücksichtigen, dass diese dauerhaft enterbt sein könnten: Stirbt das leibliche Elternteil zuerst, können sie das volle Erbe beim Tod des zuletzt Versterbenden nicht einfordern, weil sie beim Stiefelternteil keinen Erbanspruch haben. Wenn Paare das ändern möchten, müssen sie das Stiefkind in dem Testament als Erben bestimmen.
Wichtig zu wissen:
Stiefkinder gelten als Erben erster Ordnung. Sie haben, ebenso wie leibliche Kinder, einen Freibetrag von 400.000 EUR, für den sie keine Erbschaftssteuer zahlen müssen. (Stand 2025)
Durch eine Schenkung das uneheliches Kind enterben?
Das Verschenken von Vermögen zu Lebzeiten ist legitim. Auch hier gilt, dass jeder mit seinem Geld und Besitz machen kann, was er möchte. Schenkungen erfreuen sich einer gewissen Beliebtheit, wenn ein uneheliches Kind enterbt werden soll. Doch auch hier hat er Gesetzgeber einen gewissen Einfluss: Es ist zwar möglich, ein Haus oder ein größeres Geldvermögen einfach so an eine Person zu übertragen. Aber der Pflichtteil bleibt in einigen Fällen dennoch bestehen. Er wandelt sich zu einem sogenannten Pflichtergänzungsanspruch, den enterbte Kinder und andere Erben erster Ordnung beanspruchen können.
Pflichtteilergänzungsanspruch: Was ist das?
Der Pflichtteilergänzungsanspruch tritt ein, wenn der Erblasser zu Lebzeiten Vermögenswerte verschenkt hat, die deinen Pflichtteil verringern. Der Anspruch kann bei Geldschenkungen ebenso entstehen wie bei der Übertragung von Immobilien.
Wichtig für dich: Du musst den Pflichtteilergänzungsanspruch geltend machen. Auch hier gilt die dreijährige Frist, denn der oder die Erben sind Schuldner, die dich auszahlen müssen. Der Anspruch besteht ausschließlich als Geldwert, du hast kein Anrecht auf den Nachlass selbst.
Die Zehn-Jahres-Regel bei Schenkungen
In der Regel unterliegen Schenkungen der Zehn-Jahres-Regel. Dies bedeutet, dass dem Beschenkten mit dem Ablauf jeden Jahres nach der Schenkung zehn Prozent mehr vom Wert zustehen. Nach zehn Jahren gehört ihm der gesamte Wert: Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist dann verwirkt. Diese Zehn-Jahres-Regel wird auch als „Abschmelzung“ bezeichnet.
Frau Schneider schenkte ihrem ehelichen Sohn im Jahre 2010 ein Sparbuch mit einem Guthaben von 50.000 EUR. Wäre sie kurz drauf gestorben, hätte der uneheliche Sohn Peter auf den gesamten Wert einen Pflichtteilergänzungsanspruch in Höhe der Hälfte seines regulären Erbanteils.
Ab 2011 reduziert sich der Anspruch von Peter jedes Jahr um zehn Prozent. Im Jahre 2015 würde der Pflichtergänzungsanteil nur noch vom einem Wert von 25.000 EUR berechnet werden. Da Frau Schneider im Jahre 2020 noch lebte, gehört die Schenkung ihrem ehelichen Sohn zu 100 Prozent. Peter kann aus dieser Summe keinen Pflichtteil mehr beanspruchen.
Die Zehn-Jahres-Abschmelzung kann grundsätzlich auf alle Schenkungen angewendet werden. Ausnahmen gibt es, wenn Immobilien Gegenstand der Schenkung sind.
Eine Immobilie verschenken
Herr und Frau Schneider haben während ihrer Ehe gemeinsam ein Haus gebaut. Beide sind je zur Hälfte als Eigentümer eingetragen. Da das Verhältnis zwischen Herrn Schneider und seinem Stiefsohn Peter zerrüttet ist, möchte das Ehepaar das Haus dem ehelichen Sohn Uwe übertragen. Sie entscheiden sich für eine Schenkung zu Lebzeiten: Beide sind Mitte 60 und gehen fest davon aus, dass sie noch zehn Jahre leben werden. Dann, so glauben sie, gehört das Haus Uwe allein und fällt aus der Erbmasse heraus.
Uwe sichert seinen Eltern zu, das Haus erst nutzen zu wollen, wenn beide verstorben sind. Herr und Frau Schneider vertrauen ihrem Sohn und verzichten auf den Eintrag eines lebenslangen Wohnrechts für sich und auf ein Nießbrauchrecht. Sie bleiben aber unter der Adresse wohnen. Uwe Schneider ist nur auf dem Papier Eigentümer des Hauses.
Wann die Zehn-Jahres-Abschmelzungsregel nicht zählt
Herr und Frau Schneider behalten ein Wohnrecht in ihrer Immobilie. Es kann durch die Wohnanschrift nachgewiesen werden. Wenn Eigentümer ihr Haus verschenken und bis zu ihrem Tod darin wohnen bleiben, fängt die Zehn-Jahres-Frist nicht an zu laufen. Grund dafür ist, dass der Eigentümer auch nach der Schenkung sein Wohnrecht ausübt.
Angenommen, Frau Schneider zieht fünf Jahre vor ihrem Tod in ein Seniorenheim um. Dann beginnt die Abschmelzungsregel zu laufen. Mit ihrem Tod bemisst sich der Pflichtteilergänzungsanspruch des unehelichen Sohnes Peter nur noch auf die Hälfte des Hauswertes. Die andere Hälfte zählt nicht mehr dazu, da seit dem Auszug der Mutter jedes Jahr 10 Prozent des Wertes an den Eigentümer Uwe Schneider übergegangen sind. Nach fünf Jahren sind dies 50 Prozent.
Beispielrechnung für den Pflichtteil und den Pflichtteilergänzungsanspruch
Herr und Frau Schneider leben bis zu ihrem Tod in dem Haus, das zu diesem Zeitpunkt seit zehn Jahren ihrem gemeinsamen Sohn Uwe gehört. Herr Schneider ist der Letzversterbende: Er überlebt seine Frau um drei Jahre. Der uneheliche Sohn Peter macht nach dem Tod seiner Mutter den Pflichtteil und einen Pflichtteilergänzungsanspruch für das Haus und die Schenkung an den Bruder geltend. Er fordert vom Alleinerben, seinem Stiefvater, eine vollständige Auflistung der Vermögenswerte in einem sogenannten Nachlassverzeichnis.
Aufgrund des Berliner Testaments ist Herr Schneider Alleinerbe seiner Frau. Die Söhne Peter und Uwe sind enterbt. Uwe verzichtet auf seinen Pflichtteil, weil er seinen Vater nach dessen Tod allein beerben wird. Der uneheliche Sohn Peter macht seinen Pflichtteil geltend. Das muss er auch, denn als Stiefkind, das im Testament nicht berücksichtigt wird, hat er gegenüber seinem Stiefvater, Herrn Schneider, keinen Erbanspruch.
Nach der gesetzlichen Erbfolge hätte das uneheliche Kind Peter nach dem Tod seiner Mutter einen Erbanspruch in Höhe eines Viertels: Der Stiefvater erbt als Ehemann der Mutter die Hälfe. Ihre leiblichen Kinder Peter und Uwe teilen sich die andere Hälfte. Da Peter enterbt ist, steht ihm ein Achtel des Erbes als Pflichtteil zu.
Das Vermögen von Herrn und Frau Schneider bemisst sich wie folgt:
- Einfamilienhaus: 500.000 EUR, im Besitz des ehelichen Sohnes Uwe Schneider
- Barvermögen 50.000 EUR, vor 13 Jahren an Uwe Schneider verschenkt
- Barvermögen 30.000 EUR, befindet sich auf einem Sparbuch von Herrn Schneider
- Kfz im Wert von 20.000 EUR. Eigentümer ist Herr Schneider
- Motorboot im Wert von 25.000 EUR. Eigentümer ist Herr Schneider
- 2.300 EUR Guthaben auf dem Konto von Frau Schneider
- 8.500 EUR Guthaben auf dem Konto von Herrn Schneider
Offiziell besitzt Frau Schneider bei ihrem Tod nur ein Kontoguthaben von 2.300 EUR. Herr Schneider ist überzeugt, dass die übrigen Vermögenswerte ihm und seinem ehelichen Sohn Uwe gehören. Er bietet seinem Stiefsohn Peter eine Zahlung von 287,50 EUR an. Dies entspricht einem Achtel des Kontoguthabens seiner Frau.
So berechnet sich der Anspruch des unehelichen Kindes
Der Anspruch des unehelichen Kindes Peter gegen seinen Stiefvater ist mit der geringen Zahlung nicht erfüllt. Er fordert ein Vermögensverzeichnis und Einsicht in die Kontobewegungen der letzten zehn Jahre. All dies steht ihm zu. Sein Anspruch ist um ein Vielfaches höher.
Das Eigenheim
Da Frau Schneider bis zu ihrem Tod in dem Haus lebte, das sie acht Jahre zuvor gemeinsam mit ihrem Mann an den ehelichen Sohn Uwe übertrug, hat Peter einen Pflichtteilergänzungsanspruch in Höhe seines Pflichtteils. Somit steht ihm 1/8 des Hauswertes zu. Geldwert: 62.500 EUR.
Barvermögen
Die Schenkung von 50.000 EUR an den ehelichen Sohn Uwe ist nach dreizehn Jahren abgeschmolzen. Peter kann keine Ansprüche mehr geltend machen.
Herr Schneider kann nicht nachweisen, dass die 30.000 EUR Vermögen auf seinem Sparbuch ihm allein gehören. Dies wäre der Fall, wenn er das Geld geerbt oder gewonnen hätte. Oder wenn sein Einkommen deutlich höher gewesen wäre, als das seiner Frau. Diese hat während der gesamten Ehe gearbeitet und mehr verdient, als ihr Mann. Somit wird angenommen, dass beide zu gleichen Teilen zum Sparguthaben beigetragen haben. Auf wessen Konto das Geld lagert, ist unerheblich. Peter kann einen Anspruch von 1/8 des Betrages auf dem Sparbuch als Pflichtteil geltend machen. Geldwert: 3.750 EUR.
Kfz und Motorboot
Das Auto und das Motorboot wurden während der Ehe angeschafft. Auch hier ist es unerheblich, dass Herr Schneider als Eigentümer eingetragen ist. Beides wird als Pflichtteil angerechnet. Peter muss ausgezahlt werden. Geldwert: 5.625 EUR.
Girokonten
Peter hat Anspruch auf die 287,50 EUR aus dem Kontoguthaben seiner Mutter, da diese nachweislich aus ihrer Rente stammen. Die Zusammensetzung des hohen Betrages von 8.500 EUR auf dem Girokonto seines Stiefvaters ist durch regelmäßige Übertragungen vom Girokonto der Mutter zurückzuführen. Aus diesem Grund kann Peter auch von diesem Guthaben 1/8 geltend machen, da es sich um gemeinsames Vermögen handelt. Geldwert insgesamt: 1.350 EUR.
Aus dem Pflichtteil und der Pflichtteilergänzung ergibt sich ein Anspruch von 73.225 EUR, den Peter geltend machen kann.
Wer muss den Pflichtteilergänzungsanspruch erfüllen?
Peter macht seine Ansprüche zunächst gegen seinen Stiefvater geltend, da dieser durch das Berliner Testament Alleinerbe ist. Sollte Herr Schneider nicht genügend Mittel haben, um den Anspruch seines Stiefsohnes zu begleichen, kann sich Peter an seinen Halbbruder Uwe wenden. Er ist Beschenkter des Hauses und muss den Anspruch begleichen.
Was ist mit den Kosten für Beisetzung und Grabpflege?
Die Kosten für die Beisetzung tragen die Erben. Da Peter enterbt ist, muss er sich an den Kosten nicht beteiligen. Die Grabpflege ist eine Dienstleistung, die derjenige bezahlt, der sie in Auftrag gegeben hat. Da Peter kein Mitspracherecht hat, muss er auch diese Kosten nicht tragen.
Und wenn Herr Schneider zuerst verstirbt?
Sollte Herr Schneider vor seiner Frau versterben, wird sie Alleinerbin über die gesamten Vermögenswerte. Ihre Kinder sind bis zu ihrem Tod enterbt. Sie können ihren Pflichtteil geltend machen, verlieren dann aber ihren Anspruch nach dem Tod von Frau Schneider.
Für den unehelichen Sohn Peter bedeutet dies, dass er statt einem Achtel die Hälfte des Erbes beanspruchen könnte. Dies gilt auch für das Haus, wenn es Frau Schneider bis zu ihrem Tod bewohnt hat. Die Abschmelzungsregel würde erst nach dem Auszug, etwa in ein Pflegeheim, gelten.
Sollte Peter im Rahmen des Berliner Testaments durch eine Klausel vollständig enterbt worden sein, steht ihm dennoch ein Vierteil als Pflichtteil und Pflichtteilergänzungsanspruch zu. Warum? In der regulären Erbfolge teilt er sich den Nachlass der Mutter mit seinem Bruder. Als Pflichtteil kann er die Hälfte seines regulären Erbteils beanspruchen: Ein Viertel.
Fazit: Uneheliche Kinder enterben? – Es ist schwierig
Familie Schneider ist eine Fantasiefamilie, an der ich dir zeigen wollte, wie schwierig es ist, ein eheliches Kind vollständig zu enterben. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Stiefvater von Peter, hat Frau Schneider vieles versucht: Sie überschrieb das Haus an den gemeinsamen Sohn und zeigte sich einverstanden, dass alle Vermögenswerte ihrem Mann gehören: Das Sparbuch, das Auto und das Boot.
Dennoch behielt der eheliche Sohn Peter zumindest einen Teil seines Anspruchs: Das Gesetz schützt uneheliche Kinder auch bei Schenkungen und Übertragungen von Vermögenswerten, die offensichtlich das Ziel haben, ein leibliches Kind möglichst leer ausgehen zu lassen. Im Fall des unehelichen Sohnes Peter wurde aus einer geringen dreistelligen eine hohe fünfstellige Summe, die er rechtmäßig beanspruchen konnte.
Ein Rechtsanwalt ist nicht erforderlich, aber …
Bist du ein uneheliches Kind, gibt es in deiner Familie ein Stiefelternteil oder wurdest du als eheliches Kind aufgrund von Konflikten oder anderen Befindlichkeiten enterbt? Du kannst nach dem Tod eines leiblichen Elternteils immer einen Pflichtteil oder einen Pflichtergänzungsanteil geltend machen. Dazu brauchst du keinen Rechtsanwalt: Du kannst dich in einem Zeitraum von drei Jahren nach Kenntnis des Todesfalls an den oder die Erben wenden und eine Offenlegung der Vermögensverhältnisse fordern.
Ein Rechtsanwalt ist bei konfliktreichen Konstellationen hilfreich. Er kostet aber Geld. Die Rechtsschutzversicherung übernimmt die Kosten, wenn du den Bereich Erbrecht eingeschlossen hast.
Ich habe mich mit der Thematik eingehend beschäftigt. Ich bin aber keine Juristin und habe lediglich versucht, einen Einblick zu geben. Solltest du von einer Enterbung betroffen sein, entscheidest du selbst, ob du tätig werden möchtest oder nicht. Dein Recht ist es, ein Nachlassverzeichnis anzufordern und die Inhalte prüfen zu lassen.
Ob du die Ansprüche geltend machst, liegt ebenfalls in deinem Ermessen. Eine Enterbung bedeutet nicht, dass du vollkommen leer ausgehst. Das Gesetz schützt deine Ansprüche wenigstens zu einem Teil. Du musst dich aber selbst darum kümmern. Das erfordert mitunter ein bisschen Mut und intensives Nachdenken. Doch du hast dir deine Herkunft nicht ausgesucht. Aus diesem Grund darfst du als Erbe erster Ordnung ohne ein schlechtes Gewissen annehmen, was dir nach dem Gesetz zusteht.
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Zum Thema Erbrecht zwischen Eltern und Stiefkindern gibt es viele Fragen, die häufig gestellt werden. Ich beantworte sie entsprechend meiner Kenntnisse.
1. Kann ein Stiefkind vom Stiefvater (oder der Stiefmutter) erben?
Ein gesetzlicher Erbanspruch besteht nur, wenn der Stiefvater das Stiefkind rechtmäßig adoptiert. Möchtest du dein Stiefkind bedenken, musst du ein Testament oder einen Erbvertrag aufsetzen. In Bezug auf die Erbschaftssteuer sind Stiefkinder leiblichen Nachkommen und Adoptivkindern gleichgestellt: Sie haben ebenfalls einen Freibetrag von 400.000 EUR.
2. Wie kann ich verhindern, dass die Kinder meines Mannes erben?
Die Kinder deines Mannes haben immer einen Anspruch auf den Pflichtteil. Er entspricht der Hälfe des gesetzlichen Erbteils. Die prozentuale Höhe richtet sich nach der gesetzlichen Erbfolge. Eine vollständige Enterbung ist nur in sehr drastischen Ausnahmefällen möglich. Beispiel: Ein Kind deines Mannes hat versucht, ihm das Leben zu nehmen.
3. Sind Stiefkinder beim Berliner Testament enterbt?
Das Berliner Testament zielt darauf ab, den Kindern erst dann das Erbe zukommen zu lassen, wenn der zweite Ehepartner verstorben ist. Stiefkinder sind dann enterbt, wenn das leibliche Elternteil zuerst verstirbt, da sie gegen den zuletzt Versterbenden keinen Erbanspruch haben. Sie können gegenüber ihrem leiblichen Elternteil den Pflichtteil geltend machen. Dieser entspricht der Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs.
4. Bekommen Stiefkinder ihren Pflichtteil automatisch?
Nein. Sie müssen ihren Pflichtteil aktiv beim Erben anfordern. Er ist zur Auskunft verpflichtet und muss ein Vermögensverzeichnis über die Erbmasse zur Verfügung stellen. Dem Stiefkind steht die Hälfte des eigentlichen Erbteils als Pflichtteil zu.
5. Können Pflichtteil und Pflichtergänzungsanspruch verjähren?
Ja. Da es sich um einen zivilrechtlichen finanziellen Anspruch gegen den Erben handelt, beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre. Diese beginnen erst mit der Kenntnis des Erbanspruchs zu laufen. Das Erbe selbst verjährt nach 30 Jahren.
Hinweis: Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und ersetzt keine rechtliche Beratung. Bei individuellen Fragen wende dich sich bitte an einen Rechtsanwalt oder einen Notar.

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