Kuhmilch durch Haferdrink ersetzen? – Chancen und Grenzen
Sollten wir Kuhmilch durch Haferdrink ersetzen? Diese Frage wird in Themensendungen im Fernsehen, aber auch in den sozialen Netzwerken gern diskutiert. Für die Produktion von Kuhmilch muss das Muttertier regelmäßig Kälber zur Welt bringen, die sofort nach der Geburt getrennt werden. Das Leid der Tiere ist in der Praxis offensichtlich. Doch Milch und Milchprodukte sind im Speiseplan vieler Menschen fest integriert. Das führt zu Diskussionen, deren Spektrum von neutraler Aufklärung bis zu wüsten Beschimpfungen reicht: Wer Milchprodukte konsumiert, muss sich für das Leid der Tiere verantwortlich fühlen. Schließlich gibt es pflanzliche Ersatzprodukte. Doch sind sie wirklich das Maß aller Dinge? Ist es eine Alternative, dass wir unsere Milch direkt vom Bauern kaufen? Im Artikel bekommst du einen Blick auf die verschiedenen Betrachtungsweisen.

Das Wichtigste in Kürze:
- Kuhmilch steht aufgrund des Tierleids in der Kritik
- Mit Hafermilch, Mandelmilch oder Sojamilch gibt es pflanzliche Alternativen
- Ersatzprodukte gehören zu den hochverarbeiteten Lebensmitteln
- Milch von „glücklichen Kühen“ ist nur schwer zu bekommen
- Es gibt keine eindeutige Kennzeichnung von Milch aus artgerechter Haltung
Produktion von Kuhmilch – die Tiere erbringen Höchstleistungen
Kuhmilch gehört für viele Menschen zur täglichen Ernährung. Wir trinken Milch, essen Käse, Joghurt und Butter. Jedes Kind weiß, dass die Milch von der Kuh stammt. Auf Erlebnisbauernhöfen ist es möglich, beim Melken der Tiere zuzuschauen oder sich darin selbst auszuprobieren. Dass die Tiere Höchstleistungen erbringen, ist weniger bekannt. Dies gilt für Kühe, die im Stall gehalten werden, aber auch für Weidetiere. Weidemilch und Biomilch sind teurer, doch diese Produkte stammen nicht automatisch von glücklichen Kühen.
Wissenschaftsmagazine wie Quarks klären darüber auf, dass Kühe für unsere Milch leiden. Doch der Umstieg auf Milchalternativen ist nicht für jedermann eine Option. Woran stoßen sich die Kritiker des Milchkonsums?
Kühe müssen gebären, um Muttermilch zu produzieren
Kühe sind Säugetiere. Sie produzieren Muttermilch, um ihre Kälber zu nähren. Milchkühe werden früh in ihrem Leben das erste Mal besamt. Möglich ist die erste Besamung bereits 15 Monate nach der Geburt. Da Kühe sehr soziale Wesen sind, baut die Mutter zu ihrem Kalb eine enge Bindung auf. Werden beide getrennt, suchen sie sich. Die Rufe beschreiben Bauern als herzzerreißend. Die Trennung kann der Entwicklung der Kälber schaden. Aus diesem Grund erfolgt sie unmittelbar nach der Geburt. So soll eine enge Bindung gar nicht erst entstehen.
Für einen steten Milchfluss muss die Kuh im Laufe ihres Lebens regelmäßig Kälber gebären. Durch die spezielle Zucht geben Milchkühe deutlich mehr Milch, als sie ein Kälbchen benötigen würde: Es sind bis zu 40 Liter pro Tag. Diese hohe Leistung kann zu Erkrankungen führen. Wenn Milchkühe nicht mehr leistungsfähig sind, werden sie geschlachtet.
Dieses Schicksal tragen nicht nur Kühe, die in Massentierhaltung leben müssen. Auch Weidekühe sind für die Produktion hoher Milchmengen gezüchtet und müssen regelmäßig Kälber gebären. Ist dies ein Grund, auf Milch und Milchprodukte zu verzichten? Gibt es gute Ersatzprodukte? Und gehen die Diskussionen über das Für und Wider des Milchkonsums in die richtige Richtung?
Öffentlich-rechtlichen Medien und soziale Netzwerke
Quarks ist ein Magazin, das vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt wird. Grundsätzlich hat das Format einen wissenschaftlichen Anspruch. Die Erklärungen sind anschaulich, die Inhalte richtet sich an Menschen aller Altersgruppen. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden. Doch wer den Facebook-Account des Magazins abonniert hat, bemerkt schnell, dass es sich um eine recht einseitige Meinungsmache handelt: Der Artikel über das Leid der Kühe erschien über einen Zeitraum von mehreren Monaten im Wochenrhythmus, im Wechsel mit Artikeln über Fleischverzehr, Elektroautos und vegane Ernährung.
Wer Fleisch und Milchprodukte konsumiert, ist einer gewissen Vorverurteilung ausgesetzt.
„Der Mensch ist das einzige Spezies, das Muttermilch trinkt. Es ist eklig.“
„Darauf trinke ich erst einmal einen halben Liter Milch.“
Meinungen zum Milchkonsum auf Facebook
Eine Moderation durch die Administratoren blieb aus.
Doch welche Alternativen gibt es? Wo bekommen wir Milch von glücklichen Kühen, die lange mit ihren Kälbern zusammenbleiben dürfen und keinen Hochleistungssport betreiben müssen? Sollten wir uns der Kritik beugen, oder bleiben wir einfach bei unseren Gewohnheiten, ohne uns ein schlechtes Gewissen einreden zu lassen?
Veränderung der Ernährungsgewohnheiten
Die Ernährungsgewohnheiten der Deutschen sind in den letzten Jahren stärker in den Fokus gerückt. Im Mittelpunkt steht die Kritik am Konsum von billigem Fleisch. Milchprodukte wären zu günstig, der Massentierhaltung müsse ein Ende gesetzt werden. Ein erstes Umdenken hat begonnen: Die Tierhaltung wurde in Haltungsformen kategorisiert. Supermärkte wenden sich von Produkten aus der untersten Kategorie ab. Fleisch und Eier wurden teurer. Die Milch ebenfalls, doch eine Einteilung in Kategorien gibt es bislang noch nicht.
Drei Prozent der Deutschen sind Veganer
In den Regalen der Supermärkte gibt es immer mehr Ersatzprodukten für Fleisch- und Wurstwaren. Doch die Anzahl der Veganer in Deutschland ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken: Etwa drei Prozent der Bevölkerung verzichten auf den Verzehr tierischer Produkte. Neun Prozent leben vegetarisch, was bedeutet, dass sie Kuhmilch trinken und Milchprodukte essen, für die kein Tier sterben muss.
Die Statistiken besagen, dass die meisten Veganer in größeren Städten leben: Berlin, Hamburg, Frankfurt am Main und Düsseldorf werden genannt. Heidelberg ist die Stadt mit den meisten veganen Restaurants. Städte in Ostdeutschland tauchen in der Statistik nicht auf den oberen Plätzen auf, wenn der Status von Berlin unberücksichtigt bleibt.
Auch in Potsdam, Brandenburg und Magdeburg bieten Restaurants auf ihren Speisekarten vegane Gerichte an. Es hat sich ein starker Trend etabliert, der aufgrund der vergleichsweise geringen Anzahl von 1,52 Millionen Veganern (Quelle: Statista 2023) die Frage aufwirft, ob der Bedarf an Fleischersatz und Hafermilch wirklich so groß ist oder ob es sich eher um einen regionalen Trend handelt, der sich auf größere westdeutsche Städte konzentriert.
Einen alten Baum verpflanzt man nicht
Schauen wir in die DDR: in das Land, in dem keine Hafermilch angeboten wurde Ein Glas Milch zum Frühstück war Bestandteil der täglichen Ernährung. Süßigkeiten waren rar, umso beliebter war Pudding. Aus echter Milch, versteht sich. Mit fortschreitendem Lebensalter hängt der Mensch den Dingen des Lebens, die schon immer dazugehörten. Er ist wie ein alter Baum mit seinen Gewohnheiten verwurzelt und möchte nicht verpflanzt werden.
In Westdeutschland mag es vor 40 oder 50 Jahren Hafermilch gegeben haben. Doch die Ernährungsgewohnheiten unterschieden sich nicht wesentlich vom Osten. Veganer gab es hier und dort. Doch sie waren nicht so laut. Vielleicht, weil sie keine sozialen Netzwerke hatten, in denen sie sich mitteilen konnten. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass zur damaligen Zeit die Toleranz größer war. Wir saßen zusammen, einer bestellte Steak, der andere den Salatteller, und wir unterhielten uns über andere Themen.
Verschließen sich Milchtrinker und Fleischkonsumenten dem Fortschritt?
Es gibt den Kritikpunkt, dass sich Teile der Bevölkerung einfach nicht für den Fortschritt öffnen möchten. Dabei wird gern in den Osten geblickt. Doch auch vor 40 oder 50 Jahren erbrachten Kühe hüben und drüben Höchstleistungen. Die Massentierhaltung war deutlich ausgeprägter als heute. Die Menschen hinterfragten seltener, woher die Milch kam und wie es den Kühen ging. Milchalternativen wurden überwiegend von Menschen konsumiert, die klassische Milchprodukte nicht vertrugen.
Ob es wirklich ein Fortschritt ist, wenn Menschen ihren Milchkonsum auf pflanzliche Alternativen umstellen, ist nicht bewiesen. Denn die Alternativen sind nicht so gesund, wie sie gern dargestellt werden. Wichtiger wäre es, die Tiere artgerecht zu halten, doch das würde Milchprodukte verteuern. In Zeiten von Inflation und niedrigen Löhnen in vielen Branchen könnte es dazu führen, dass Milchprodukte für einige Menschen nicht mehr bezahlbar sind. Alternativ bleibt der Preis, den die Tiere zahlen, hoch. Es ist eine Spirale ohne wirklichen Ausweg. Die Zustände in der Massentierhaltung sind entsetzlich, Änderungen sind dringend geboten. Doch ist der Weg des Verzichts der Richtige?
Milch oder Haferdrink?
Die Diskussion um vegane Ernährung gleich einem Kulturkampf: Zuerst standen Fleisch- und Wurstwaren auf dem Prüfstand und wurden durch das Angebot veganer Alternativen ersetzt. Nun ist die Kuhmilch an der Reihe.
Gesunde Bestandteile in der Kuhmilch
Bei genauerer Betrachtung enthält Kuhmilch gesunde Bestandteile. Kalzium zählt dazu: Es fördert das Wachstum der Knochen. Lange wurde vermittelt, dass Kinder viel Milch trinken sollten. Es gibt Studien, die belegen, dass Kinder, die ausschließlich Milchersatzprodukte konsumieren, kleiner sind. Auch die allgemeine Größenzunahme der Menschen im Verlauf der Jahrhunderte wird mit dem Milchkonsum in Verbindung gebracht. Der Verzicht schadet der Gesundheit nicht, aber ist er förderlich?
Das Wissenschaftsmagazin Quarks stellt die Frage, ob die Milch den Menschen krank macht. Die Antwort? Viele Thesen für oder gegen die Milch sind nicht eindeutig belegt. Fakt ist, dass Menschen seit mehreren tausend Jahren Milch konsumieren, obwohl der Organismus darauf gar nicht eingestellt ist: Für die Verdauung ist ein bestimmtes Enzym notwendig: Laktase. Wer es nicht besitzt, bekommt beim Konsum von Milchprodukten Bauchschmerzen. Säugetiere, zu denen wir in weitestem Sinne zählen, trinken nach dem Abstillen keine Milch mehr.
Belegt ist auch, dass Milch neben dem Kalzium Eiweiße und zahlreiche Fettsäuren enthält. Der größte Anteil ist Wasser. All diese Inhaltsstoffe kann der Körper verarbeiten. Dennoch benötigt er die Milch nicht, denn andere Lebensmittel liefern ebenfalls Eiweiße und Fettsäuren.
Es gibt Hinweise, dass Milch vor Darmkrebs schützen und Prostatakrebs begünstigen kann. Die Studienlage ist dünn und nicht sehr übersichtlich. Somit ist Milch nicht so gesund, wie es oft behauptet wird. Aber sie ist auch nicht so ungesund, dass der Mensch darauf verzichten muss.
Sind pflanzliche Ersatzprodukte gesünder?
Der Vergleich ist schwierig: Sowohl Kuhmilch als auch pflanzliche Ersatzprodukte enthalten Bestandteile, die gesund sind, und andere, die der Körper nicht braucht oder nicht so gut verarbeiten kann. Grundsätzlich enthält Pflanzenmilch ganz andere Bestandteile. Sie unterscheiden sich nach der Art des gewählten Produkts: Ein Haferdrink setzt sich anders zusammen als der Mandeldrink oder ein Sojadrink.
Der Haferdrink ist am längsten auf dem Markt
Haferdrink ist als Produkt am längsten auf dem Markt: Bereits in den 1990er-Jahren gab es das Produkt im Handel. Seine Geschichte reicht noch viel weiter zurück. Haferdrink eignet sich gut zum Backen und Kochen und ermöglicht es Menschen mit einer ausgeprägten Laktoseintoleranz, Kuchen zu genießen oder den Kaffee mit Milch zu verfeinern.
Es ist wichtig zu wissen, dass der moderne Haferdrink ein industrielles Fertigprodukt ist. Er kann Süßstoffe, Zucker, Salz, künstliche Aromen oder Verdickungsmittel enthalten. Dies unterscheidet ihn von der Kuhmilch: Es handelt sich um ein natürliches Produkt, dessen Inhaltsstoffe bis auf kleinste Abweichungen bei den verschiedenen Marken identisch sind.
Die Bezeichnung Haferdrink ist nicht geschützt und somit in der Qualität sehr unterschiedlich. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich die Inhaltsstoffe genau anzuschauen. Dies gilt auch für alle anderen pflanzlichen Milchprodukte.
Beispiel der Zusammensetzung eines Haferdrinks der Marke Alpro
Haferbasis (97,3%) (Wasser, Hafer (10,5%)), löslicher Mais-Ballaststoff, Sonnenblumenöl, Calcium (Tricalciumphosphat), Meersalz, Stabilisator (Gellan), Vitamine (B2, B12, D2).
Quelle: https://www.alpro.com/de/produkte/drinks/haferdrinks/haferdrink-original, abgerufen am 31.05.2024
Für die Kuhmilch, gegen das Tierleid
Der Verzicht auf Kuhmilch ist nicht die einzige Möglichkeit, mit der du dem Tierleid begegnen kannst. Wenn du die Möglichkeit besitzt, solltest du Milch von „glücklichen Kühen“ kaufen. Leider gibt es keine entsprechende Kennzeichnung und das Angebot ist rar. Nur Bauernhöfe mit eigener Produktion können dich in Bezug auf die Qualität der Tierhaltung direkt vor Ort überzeugen.
Weidemilch, Heumilch und Biomilch
An der Bezeichnung der Milch kannst du leider nicht erkennen, ob sie von glücklichen Kühen stammt. Weidemilch sagt aus, dass die Tiere an 120 Tagen im Jahr für mindestens sechs Stunden auf der Weide stehen müssen. Dennoch kennen sie kleine Boxen, in denen sie sich nicht umdrehen können.
Heumilch besagt, dass die Tiere keine Silage zu fressen bekommen. Das ist ein Vorteil, weil Heu der natürlichen Ernährung der Kuh am nächsten kommt. Aber wie bei der Weidemilch gilt: Einen gesetzlichen Schutz für den Begriff gibt es nicht.
Biomilch ist ebenfalls mit Vorsicht zu betrachten. Es handelt sich nicht um einen geschützten Begriff. Verlässliche Marken sind Produkte mit der Kennzeichnung Demeter, Bioland, Naturland oder mit dem EU-Öko-Siegel. Kuhmilch mit diesem Siegel stammt von Kühen, die artgerecht gehalten werden, die nicht oder unter strengen Vorgaben enthornt wurden und die Grünfutter zum Fressen erhalten
Pro Kuhmilch
- Kuhmilch enthält natürlichen Zucker und Fett
- Kalzium ist wichtig für den Aufbau von Knochen und Zähnen
- Wichtige Vitamine und Mineralstoffe sind in der Kuhmilch enthalten
Pro Hafermilch
- Kein Tierleid
- Viele Ballaststoffe
- Frei von Laktose
Die Lebensart des Gegenübers akzeptieren
Die Entscheidung für oder gegen die Kuhmilch musst du selbst treffen. Sie ist so individuell wie die Wahl eines Lebensmittels: Einer mag es, der andere mag es nicht. In jedem Fall sollte die Entscheidung und damit auch die Lebensart des Gegenübers akzeptiert werden: Was für den einen gut ist, muss der andere nicht mögen. Das dürfen beide offen kommunizieren. Danach stoßen beide miteinander an. Mit Milch und Haferdrink.

Das ehrliche Magazin