Nach der Bundestagswahl 2025: Neustart oder weiter so?
Die vorgezogene Bundestagswahl 2025 folgte auf das vorzeitige Scheitern der Ampel: Die Wahlen fanden sieben Monate vor dem Ende der regulären Legislaturperiode statt. Die CDU gewann und stellt mit Friedrich Merz den Kanzler. Er muss sich nach großem Krach im Parlament und einem kurzen, heftigen Wahlkampf einen Koalitionspartner suchen. Doch das Klima zwischen den Parteien ist so vergiftet wie noch nie, in mehr als 75 Jahren Bundesrepublik. Wo steuert Deutschland in den nächsten vier Jahren hin? Gelingt der große Umschwung oder bleibt es ein „weiter so“? Ein Blick zurück und ein Ausblick nach vorn.

Auf Merkel folgte eine Ampel
Im September 2021 endete die Ära Merkel nach 16 Jahren Kanzlerschaft. Die Kanzlerin hatte vorab erklärt, nicht noch einmal anzutreten. Die Kanzlerkandidaten für die Nachfolge hießen Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Die Grünen).
Über Monate lag die CDU vorn. Doch dann kam die Flut im Ahrtal. Armin Laschet kriegte bei einem Termin vor Ort einen Lachanfall. Der kostet ihn den Wahlsieg: Die SPD um Olaf Scholz gewann die Wahl mit 25,7 Prozent der Stimmen. Die CDU lag mit 24,1 Prozent knapp dahinter. Drei Monate dauerte das Ringen um eine Koalition. Es wurde die Ampel: Ein Bündnis unter der Führung der SPD mit den Grünen und der FDP.
Ich war enttäuscht, von Christian Lindner: Noch vier Jahre zuvor hatte er die Verhandlungen mit Angela Merkel aufgrund zu großer Unstimmigkeiten beendet. Das hätte ich mir für 2021 auch gewünscht. Denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass CDU und FDP besser miteinander harmonieren.
Es gab bereits Regierungsbündnisse aus SPD und FDP unter den Kanzlern Brandt und Schmidt zwischen 1969 und 1982. Doch das Ende war wenig ruhmreich: 1982 trat die FDP unter ihrem Vorsitzenden Hans-Dietrich Genscher aus der Koalition mit der SPD unter Helmut Schmidt aus und ging mit der CDU ein neues Bündnis ein. Auf diesem Weg wurde Helmut Kohl erstmals Bundeskanzler.
November 2024: Die Lichter gehen aus
Ähnlich endete die Ampel im November 2024: Dieses Mal war es Parteichef Christian Lindner, der mit seinen Ministern zurücktrat. Allerdings nicht mit allen: Verkehrsminister Volker Wissing wollte sein Amt nicht abgeben. Er trat aus der FDP aus und blieb parteilos auf seinem Ministerposten sitzen. Für wenige Monate, denn Olaf Scholz stellte in der Konsequenz aus dem Ende der Regierungskoalition im Dezember 2024 die Vertrauensfrage.
Bundespräsident Steinmeier löste die Regierung auf und legte Neuwahlen für den 23. Februar 2025 fest. Ein kurzer Wahlkampf mit heftigen Diskussionen in den Medien begann. Gewinner? Merz oder Scholz, je nach persönlicher Vorliebe. Und gab es einen Verlierer in den Rededuellen? Ja. In meinen Augen ist es eine Verliererin. Ihr Name ist Alice Weidel. Ihre Funktion: Die bis dato erste Kanzlerkandidatin der AfD.
Der kurze Wahlkampf
Es gab einen Wahlkampf, der kurz und von mehreren Diskussionsrunden geprägt war. Mal waren es Scholz und Merz, die sich duellierten. Mal erweiterten Robert Habeck als Kanzlerkandidat der Grünen und Alice Weidel das Plenum. Ich habe mir die Duelle von RTL und BILD/Welt angeschaut. Und die Wahlarena in der ARD, die ich dann aber vorzeitig ausschaltete. Die ZDF-Veranstaltung habe ich mir erspart.
Zusammenfassend ist anzumerken, dass drei der vier Kandidaten mehr oder weniger ausreden durften. Frau Weidel durfte es nicht. Sie wurde gefragt, ob sie in Deutschland Steuern zahlt, und musste sich für ihren Nebenwohnsitz in der Schweiz rechtfertigen. Leider fragte niemand Robert Habeck, warum seine Söhne in Dänemark die Schule besuchten und auch dort studieren. Gleiches Interesse am Privatleben für alle, wäre meine Meinung.
Aufgefallen ist außerdem, dass Frau Weidel die schlechtesten Werte und die höchste Fehlerquote im sogenannten „Faktencheck“ bekam. Ob man die AfD wählt oder ablehnt: Man muss Frau Weidel lassen, dass sie fokussiert und höflich sprach, und, im Gegensatz zu ihren Kollegen, niemandem ins Wort fiel. Es ist bekannt, dass sie sich auch anders artikulieren kann, doch diese Seite zeigte sie in den Kanzlerduellen nicht.
Friedrich Merz gab sich siegessicher, er hatte gute Ideen. Ob er sie umsetzt, wird sich zeigen: Seine erste Idee nach der Wahl war, mit dem noch amtierenden Bundestag eine Entscheidung über die Aufweichung der Schuldenbremse zu treffen. Für einen solchen Beschluss bedarf es einer Verfassungsänderung. Diese erfordert eine Zweidrittelmehrheit. Offenbar hatte Merz Bedenken, dass es aufgrund der Sperrminorität von AfD und den Linken im neuen Parlament mit der Mehrheit schwierig werden könnte.
Über Olaf Scholz will ich nicht so viel schreiben: Er bleibt Kanzler, sagte er angesichts von Umfragewerten von 15 Prozent, und es sprudelten Ideen hervor, von denen ich mich fragte, warum er sie in den letzten dreieinhalb Jahren nicht umgesetzt hat. Er erreichte im Wahlergebnis 16,4 Prozent und möchte Kanzler bleiben oder als einfacher Abgeordneter im Bundestag sitzen. Die Kanzlerschaft könnte ihm mit einer Minderheitsregierung aus SPD, Grünen und Linken erhalten bleiben, wenn die SPD-Basis gegen eine Regierungsbeteiligung unter Führung der CDU stimmt.
Und Robert Habeck? Mein Sohn fragte mich angesichts der Mimik des grünen Kanzlerkandidaten, was er wohl genommen hätte. Als Germanistin bin ich der Meinung, dass ein Germanist (und Philosoph) nichts im Wirtschaftsministerium zu suchen hat. Und ich dachte, dass die offensichtlich versuchte Demontage der AfD und ihrer Kanzlerkandidatin das Gegenteil von dem bewirkt, was es bewirken soll: Wer die Partei wählen möchte, wählt sie doch erst recht, wenn der Kandidatin ständig über den Mund gefahren wird. Mit 20,8 Prozent konnte die AfD ihr Wahlergebnis von 2021 tatsächlich verdoppeln.
Die FDP-Wähler sind sauer
Mein Unmut gegenüber Christian Lindner hatte sich gelegt, seit er aus der Koalition ausgetreten ist. Mir ist es egal, ob er einen Porsche fährt oder ob er auf Sylt geheiratet hat. Ich hatte der FDP gewünscht, dass sie nach der Wahl im Bundestag bleibt und dass er weitermacht. Denn im Gegensatz zu seinem ehemaligen Parteifreund Wissing zeigt er wenigstens ein bisschen Rückrat, auch wenn er es ziemlich spät gerade gebogen hat. Mein Wunsch hat sicher leider nicht erfüllt. Die FDP ist mit 4,3 Prozent rausgeflogen und Lindner zieht sich gemeinsam mit der Führungsriege seiner Partei aus der Politik zurück.
Bei Günter Jauch „Wer wird Millionär“ tauchte der ehemalige FDP-Parteivorsitzende Philipp Rösler als Telefonjoker in der Liste einer Kandidatin auf. Er zog sich 2013 aus der Politik zurück, nachdem die FDP nach der Wahl schon einmal die Fünf-Prozent-Hürde verpasste. Im kurzen Smalltalk mit Jauch sagte Rößler, dass er mit seiner Entscheidung konform geht, gerade wenn er sich die aktuelle Politik anschaue. Lindner übernahm damals und führte die Partei zurück in den Bundestag. Nun ereilt ihn das gleiche Schicksal … oder eine ähnliche Befreiung.
Für den Eintritt in die Ampel hat die FDP teuer bezahlt: Sie erreichte im September 2021 10,5 Prozent und stürzte nun unter die Fünf-Prozent-Hürde. Schade, sage ich. Sonst hätte es für eine Deutschland-Koalition CDU-SPD-FDP gereicht. Nun wird es wohl eine GroKo, die angesichts der mickrigen Prozentwerte so gar nicht mehr heißen darf. Offenbar waren die FDP-Wähler extrem verstimmt. Sie nahmen Christian Lindner den Beitritt zur Ampel, das Mittragen falscher Entscheidungen und das lange Verharren in der Regierung wohl übel. Dann gab es noch den Wissing, die laute Frau Strack-Zimmermann, und letztlich konnte Urgestein Kubicki auch nichts mehr retten.
Nach der Wahl
Friedrich Merz hat die Wahl mit seiner CDU gewonnen. Statt Ü30 waren es nur magere 28,5 Prozent. Doch wie geht es nun weiter? Nach dem Wahlkampf und einer Abstimmung zur Begrenzung der Migration – darauf komme ich gleich noch zu sprechen – sind CDU und SPD zerstritten. Doch nur die SPD kommt als potenzieller Koalitionspartner für die neue Regierung infrage. Wie das nach den bösen persönlichen Angriffen der letzten Bundestagssitzung funktioniert, werden wir bis Ostern sehen. Dann soll die neue kleine GroKo stehen. Wenn die SPD dazu Lust hat.
Olaf Scholz gab sich ziemlich siegessicher. Er sagte mehrfach, dass er auf die Wähler setzt, die unschlüssig sind. Bis zu 30 Prozent mehr Stimmen könnte er auf diese Weise bekommen, denn all diese Wähler würden ihr Kreuz bei der SPD machen. Ob er daran wirklich geglaubt hatte, weiß er wohl nur selbst.
Er selbst betonte in der Elefantenrunde am Wahlabend, dass er angetreten ist, um Kanzler zu werden und dass er keine Verhandlungen führen würde. Während des Wahlkampfs sagte er, dass ihm sein Potsdamer Wahlkreis wichtig wäre. Ich stelle mir die Frage, ob in Hamburg für ihn kein Platz war. Denn er ist kein Potsdamer, er hat keine ostdeutsche Biografie und ich habe bei ihm bislang keine besondere Affinität zu meiner Heimatstadt feststellen können.
2021: Zentrales Wahlkampfthema Klimaschutz
Im Jahre 2021 drehte sich alles um den Klimawandel. Fridays for Future holte die Schüler freitags aus dem Unterricht und rief in vielen deutschen Städten zu Demonstrationen auf. Es gab Lehrer, die ihre Schüler zum Mitlaufen zwangen. Universitäten riefen zur Beteiligung auf. Das Gesicht der Bewegung war die Schwedin Greta Thunberg. Später sank ihr Stern, als sie sich mit dem Beginn des Israelkonflikts auf die Seite der Hamas stellte und Grenzen derart überschritt, dass sie bei einer Demo in Deutschland von der Polizei in Gewahrsam genommen werden musste.
Dreieinhalb Jahre Ampelregierung haben den Klimaschutz insofern vorangetrieben, als dass die Regierung dem Bürger vorschrieb, welche Heizung er künftig einzubauen hat. Die letzten drei Atomkraftwerke wurden abgeschaltet. In der Folge zahlen wir die höchsten Strompreise in Europa. Was in der weiteren Folge zu teils eklatanten Preissteigerungen, zu Insolvenzen und Pleiten führte.
Bekannte Marken gaben auf
Mehr als hundert Jahre alte private Unternehmen gaben auf, darunter viele Bäckereien. Handelsketten, die jahrelang zum Bild der Innenstädte gehörten, sind verschwunden. Kanntest du Depot, The Body Shop oder Esprit?
Die Insolvenz des Reiseveranstalters FTI schlug hohe Wellen, weil es Kunden gab, die ihre Reise nicht antreten konnten oder monatelang auf den Kosten sitzen blieben. Durch die Welt der Hausfrauen ging ein Aufschrei, als Tupperware sein Verschwinden vom Markt publizierte. Was wird nun aus der lebenslangen Garantie, wenn der Deckel der Dose kaputtgeht?
Die Probleme der Autoindustrie
Die Ampel, aber auch die vorherige Regierung unter Kanzlerin Merkel wollte mit Gewalt das E-Auto auf dem Markt etablieren. Die Industrie stellte sich darauf ein. Die Idee, den Verbrenner von den Straßen zu verbannen, fanden die Politiker toll. Die Kunden weniger: Viele weigerten sich, ein E-Auto zu kaufen. Mein Mann und ich gehören auch dazu, denn Tagestrips in unsere Warnemünder Badewanne oder zu unseren Eltern nach Gera können wir vergessen. Nachdem ausgerechnet unter der Ampel die Förderung für E-Autos ausgelaufen war, brach der Umsatz ein. Und das unter einem Wirtschaftsminister Habeck von den Grünen!
Mit dem Beginn der neuen Legislaturperiode nach der vorgezogenen Bundestagswahl 2025 steckt die Autoindustrie in einer tiefen Krise. Und nicht nur sie: Auch die Zulieferer beklagen massive Einbrüche in den Umsätzen. Hinzu kommt, dass sich viele Menschen gar kein neues Auto mehr leisten können. Sie brauchen ihr Geld für die Zahlung von Miete und Lebenshaltungskosten. Beides ist so teuer, dass in vielen Haushalten für größere Anschaffungen gar kein Spielraum mehr ist.
Das Klima wurde nicht gerettet
Die Maßnahmen der Ampel für den Klimaschutz haben dazu geführt, dass das Leben in Deutschland sehr teuer geworden ist. Das Klima hat sich nicht verändert. Kann es auch gar nicht, denn Deutschland ist viel zu klein, um weltweit etwas zu bewirken.
Das bedeutet natürlich nicht, dass wir uns keine Gedanken um den Klimaschutz machen sollten. Aber schauen wir doch mal ins Nachbarland Polen: Wir fahren ab und zu mal hin. Nicht, um Zigaretten zu kaufen oder zu tanken: Wir rauchen nicht und wohnen zu weit weg. Wir lieben die polnischen Süßigkeiten und gehen gern dort essen. Und wir fahren über die Dörfer, die einst deutsch waren, und informieren uns über die Geschichte. Wenn du einen solchen Trip im November unternimmst, hängt eine gelbe Glocke mit einem für uns Ex-DDR-Bürger wohlbekannten Geruch über der Landschaft. Ich habe die ersten 24 Jahre meines Lebens mit Kohle geheizt. In Polen ist es bis heute üblich.
Ein Kernkraftwerk an der Ostseeküste
Unser Nachbarland baut bis 2033 an der Ostseeküste, etwa 450 Kilometer von Berlin entfernt, ein Atomkraftwerk. Sollte es zum Super-Gau kommen, wäre Berlin von der Strahlung betroffen. Das wird hoffentlich nie passieren, aber ein anderer Fakt ist sicher: Es soll den polnischen Bürgern günstigen Strom in ausreichender Menge liefern. Das ist sicher auch nötig: Das Einkommensniveau liegt in Polen weit unter dem, was wir Deutschen verdienen. Offenbar konnten sich die Hausbesitzer in den grenznahen Dörfern mehr als 30 Jahre nach dem Zusammenbruch des Ostblocks immer noch keine Gas- oder Ölheizung leisten. Oder sie wollten es nicht.
Deutschland soll zur Wärmepumpe verdonnert werden. Der Wind trägt die saubere Luft der Wärmepumpe von Frankfurt an der Oder nach Kuniwice (Kunersdorf) und schickt den gelben Dunst der Kohleheizung zurück nach Deutschland. Beides rettet das Klima nicht und es schadet ihm auch nicht. Weil auch Europa zu klein ist, um einen echten Klimawandel zu bewirken. Klimaschutz ist in Ländern wie Indien, China und den USA ein Fremdwort. Wir können und sollen achtsam sein. Doch das Ansetzen der Brechstange bringt uns nicht weiter und das Klima auch nicht.
2025: Zentrales Wahlkampfthema: Migration
Im Wahlkampf 2025 spielte der Klimaschutz keine Rolle mehr. Dies hat den einfachen Grund, dass die Menschen andere Probleme haben: Das fehlende Geld im Portemonnaie und die Migration sind die drängensten Sorgen. Und das hat Gründe: Innerhalb von zwölf Monaten gab es in Deutschland vier Anschläge, ausgeübt von Attentätern, die in Deutschland Asyl suchten. Sie waren integriert, geduldet oder sie hätten gar nicht mehr hier sein dürfen.
In Mannheim kam ein junger Polizist ums Leben, in Solingen wurden drei Menschen ausgerechnet beim „Fest der Vielfalt“ ermordet. Tatwaffe war in beiden Fällen ein Messer. In Magdeburg fuhr ein Psychiater aus Saudi-Arabien mit einem Auto in eine Menschenmenge, die den Weihnachtsmarkt besuchte. Es gab knapp 300 Verletzte und sechs Todesopfer, darunter ein neunjähriger Junge. Das traurige Fass lief in Aschaffenburg über: Ein Afghane, der gar nicht mehr in unserem Land sein durfte, stach in einem Park auf eine Kitagruppe ein. Er tötete ein zweijähriges Kind und einen Mann, der den Erzieherinnen zur Hilfe eilte.
Friedrich Merz wollte die Grenzen schließen
Nach diesem vierten Anschlag platzte Friedrich Merz der Kragen: Er brachte einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein, der illegale Grenzübertritte stoppen sollte. In der ersten Abstimmung bekam er eine Mehrheit, weil die AfD zustimmte. Ein Aufschrei ging durchs Land, die Menschen gingen gegen Rechts auf die Straße. Die zweite Abstimmung verlor Merz, weil es Abtrünnige aus der FDP und den eigenen Reihen gab. Merz gewann, doch die CDU stürzte nicht ins Bodenlose, wie von einigen Fans der Brandmauer gefordert.
In den letzten Wochen des Wahlkampfs wurde Merz nicht müde zu betonen, dass er mit der AfD nicht koalieren werde. In Bezug auf die Migration gäbe es Parallelen, denn beide Parteien wollten Ausreisepflichtige und Straftäter abschieben und sich am Dublin-Abkommen orientieren. Bedeutet: Wer über ein sicheres Drittland nach Europa einreist, bekommt in Deutschland kein Asylverfahren. Es sollen wieder Grenzkontrollen eingeführt werden. Ob das mit dem Koalitionspartner SPD nach dem Abstimmungskrach funktioniert?
Was die Menschen noch beschäftigt
Die Anschläge sorgten für Entsetzen und einen Aufschrei, wie schon das Attentat am Breitscheidplatz in Berlin im Jahre 2016, bei dem zwölf Menschen beim Besuch eines Weihnachtsmarktes ums Leben kamen. Doch dann kehren Bürger und Politiker in ihren Alltag zurück. Geändert hat sich seit 2016 nichts. Und die Migration bereitet abseits der Straftaten weitere Probleme:
- Die Städte und Kommunen können den Ansturm nicht mehr bewältigen
- Die Kosten sind zu hoch
- Die Integration der vielen Menschen gelingt nicht oder nicht ausreichend
Die Willkommenskultur aus dem Jahre 2015 hat sich deutlich abgekühlt. Viele Menschen bemängeln, dass ihre Sorgen und Forderungen von der Politik nicht ernst genommen werden. In vielen größeren Städten sind kaum noch günstige Wohnungen zu bekommen, in den Schulen gibt es Probleme und die Behörden sind überfordert.
Als Randberliner sind wir große Fans des Döners. Wir lieben italienisches, griechisches und asiatisches Essen. Die Männer unserer Familie gehen zum arabischen Barbier. Wir haben in unserer Kleinstadt ausländische Ärzte. Mich persönlich fasziniert Mehrsprachigkeit: Im Studium hatte ich Kommilitonin, die Englisch und Französisch studierte und als Tochter türkischer Eltern zweisprachig aufwuchs.
Niemand sollte angesichts der Anschläge und des allgemeinen Unmuts alle Menschen mit ausländischen Wurzeln in eine Schublade stecken. Genauso wenig wie jegliche Kritik an der Migration in einer anderen Schublade verschwinden sollte. Das Thema ist emotional und schwierig zu diskutieren.
Fakt ist: Bis 2029 muss die Regierung das Problem in den Griff bekommen. Deutschland braucht aufgrund des demographischen Wandels eine Einwanderung in den Arbeitsmarkt. Die Einwanderung in die Sozialsysteme muss gestoppt werden. Das ist eine Forderung der CDU, Friedrich Merz hat es im Wahlkampf häufig thematisiert.
Die internationalen Krisen
Etwas mehr als zwei Monate nach dem Amtsantritt der Ampel begann im Februar 2022 der Ukraine-Krieg. In der Folge kamen mehr als eine Millionen Flüchtlinge nach Deutschland. Unsere Energiepreise schossen in die Höhe und Deutschland unterstützte die Ukraine mit Milliardenhilfen.
Im Oktober 2023 begann der Israel-Krieg mit einem Überfall der Hamas, bei dem mehr als 1.000 Menschen getötet wurden. In der Folge gab und gibt es Demonstrationen auch auf deutschem Boden. Kurz vor der vorgezogenen Bundestagswahl 2025 griff ein syrischer Flüchtling am Holocaust-Mahnmal in Berlin-Mitte einen spanischen Touristen mit einem Messer an und verletzte ihn schwer. Am selben Tag wurde ein junger Mann mit russischer Staatsbürgerschaft am Berliner Flughafen BER festgenommen. Er soll einen Anschlag auf die israelische Botschaft geplant haben.
Im Januar 2025 wurde Donald Trump als 47. Präsident der USA vereinigt. Bereits im Vorfeld kündigte er Maßnahmen an, die den Rest der Welt aufhorchen ließen: Er wollte hohe Zölle einführen, Migranten aus dem Land werfen und den Krieg in der Ukraine in 24 Stunden beenden. Letzteres schaffte er nicht, doch er erklärte die Ukraine kurzerhand zum Kriegstreiber und Präsident Selenski zum Despoten. Migranten haben es seit seinem Amtsantritt in den USA schwer und auch die Zölle waren kein vergessenes Wahlkampfversprechen.
Die Welt ist aus den Fugen geraten
Ich habe das Gefühl, dass die Welt so heftig von ihrem Kurs abgekommen ist, dass viele Menschen Zukunftsängste haben.
- Vor einer Ausweitung der Kriege, eventuell auf deutschen Boden
- Vor unbezahlbaren Lebenshaltungskosten und steigenden Mieten
- Vor Anschlägen und Messerangriffen im öffentlichen Raum
Hinzu kommen Sorgen, angesichts der schrumpfenden Wirtschaft den Arbeitsplatz zu verlieren. Viele glauben, ihre Meinung nicht mehr offen sagen zu dürfen. Uns droht ab 2027 eine drastische Erhöhung der Energiekosten durch eine EEG-Umlage der EU. Kraftstoff, Heizöl und Erdgas könnten um ein Vielfaches teurer werden. Dann gibt es noch die unsicheren Renten und explodierende Kosten für die Krankenversicherung. Und es gibt sicher Dinge, die ich in diesem Moment vergessen habe.
Stichwort Wählerwille
Im Herbst 2024 wählten die Bürger in Thüringen, Sachsen und Brandenburg einen neuen Landtag. Die AfD gewann in Thüringen. In Sachsen folgte sie knapp auf die CDU, in Brandenburg belegte sie den zweiten Platz hinter der SPD. Bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2025 konnte sich die Rechtsaußen-Partei im Vergleich zum September 2021 verdoppeln. Eine Regierungsbeteiligung ist ausgeschlossen, aber die AfD führt die Opposition an.
Tino Chrupalla, Co-Vorsitzender der AfD, prophezeit seiner Partei für 2029 einen weiteren Aufstieg. Damit konnte er recht haben, wenn es die Regierung nach der Ampel nicht schafft, die drängenden Probleme Wirtschaft, Migration und Inflation in den Griff zu bekommen.
Wenn eine Ruth Moschner dem Zuschauer die Kompetenz abspricht
Nach dem als Quadrell bezeichneten Aufeinandertreffen von Scholz, Merz, Habeck und Weidel gab es eine Diskussionsrunde im RTL. Ich habe ausgeschaltet, nachdem ich Ruth Moschner reden hörte. Zugegeben: Ich mag sie gar nicht. Es ist mein persönliches Empfinden, und das sage ich einfach mal so ehrlich. Was sie sagte, trug nicht zu einer höheren Sympathie meinerseits bei. Ich kann es nicht wörtlich wiedergeben, aber sinngemäß lautete es so:
Die Leute haben sich mit dem Faktencheck nicht auseinandergesetzt.
Es ging – Überraschung! – um positive Zustimmungswerte für den Auftritt von Alice Weidel. Frau Moschner, laut Wikipedia Fernsehmoderatorin und Schauspielerin mit Abitur und abgebrochener Bankausbildung, spricht dem Bürger die Fähigkeit ab, die Worte in einem Kanzlerduell zu verstehen, ohne sich mit einem aufbereiteten Faktencheck der Redaktion Stern auseinanderzusetzen. Ich frage mal in meinem Berliner Jargon: Geht’s noch?
Nachdem das unqualifizierte AfD-Bashing weiterging, warf RTL-Politikchef Nikolaus Blome ein, dass die AfD den Umfragen nach bei 20 Prozent läge, was sich am Wahlabend dann bewahrheitete, und dass man diese Wähler ernst nehmen sollte. Llambi stimmte ihm zwar zu, aber trotzdem habe ich von der Umschalttaste Gebrauch gemacht. Ich wollte mir Ruth Moschner einfach nicht länger antun.
Es täte not, den Wählerwillen ernst zu nehmen
Ich schließe mich der Meinung von Herrn Blome an: Der Politik täte es gut, die Wähler der AfD zu hören und sie ernst zu nehmen, anstatt ihnen Kompetenz abzusprechen oder ihnen die braune Jacke anzuziehen. Friedrich Merz hat es richtig erkannt: Er möchte die Wähler mit einer guten Politik zurückerobern. Das ist der richtige Weg.
Der amtierende Thüringer Ministerpräsident Mario Voigt erklärte sich am Wahlabend im September 2024 zum „Wahlsieger der demokratischen Mitte“. Ich würde gern wissen, was die Werbeagentur für diesen Slogan bekommen hat, denn im vorgezogenen Bundestagswahlkampf 2025 bediente sich Friedrich Merz dieser vier Worte ebenfalls. Er konnte den Wahlsieg für sich in Anspruch nehmen, während die CDU von Mario Voigt gegen die AfD von Björn Höcke verlor.
Die Konsequenz in Thüringen ist eine Minderheitsregierung aus CDU und BSW: Aus zwei Parteien, die gar nichts miteinander gemein haben und sich vier Jahre lang Stimmen anderer Parteien zusammensuchen müssen, um Gesetze beschließen zu können. Das könnte dem Bundestag auch passieren, wenn die AfD in vier Jahren noch stärker wird. Und das könnte sie werden, wenn es die Regierung nicht schafft, das Ruder herumzureißen.
Oppositionsführer AfD
Die Bundesregierung kann in der Koalition ohne die AfD regieren. Aber sie kann nicht verhindern, dass die Partei die Opposition im Parlament anführt. Das war schon 2017 so gewesen, als die CDU eine Koalition mit der SPD einging.
Versäumnisse der Politik haben die AfD groß gemacht. Die Unfähigkeit der Jamaika-Parteien, sich zu einigen, und der traditionelle Hang der SPD, einzuknicken, werden sie noch größer machen.
Gunnar Hinck
Das Zitat stammt aus dem Jahre 2017. Wir hätten eine Jamaika-Koalition bekommen, wenn Christian Lindner nicht nach mehrwöchigen Verhandlungen ausgestiegen wäre und damit das „Jamaika-Aus“ besiegelte. Ob es das gescheiterte Jamaika war, das Gunnar Hinck bis heute recht gibt, oder doch die Krisen der letzten drei Jahre waren, kann ich hier nicht seriös beantworten.
Die Rolle des Oppositionsführers geht mit einem Vorsitz im Haushaltsausschuss einher. Sonst ist sie nicht spezifisch definiert. Doch wenn die Partei in dieser Geschwindigkeit in der Wählergunst weiter wächst, kommt sie im Jahre 2029 auf 30 Prozent. Bleibt die Brandmauer stehen, sieht es nach einer Minderheitsregierung auf Bundesebene aus. In der Legislatur bis 2029 haben AfD und die starke Linke die bereits erwähnte Sperrminorität. Langweilig wird es nicht, in der Politik.
Was ich mir von der Politik wünsche
Neustart oder „weiter so“? Ich wünsche mir einen Neustart, denn es kann so einfach nicht weitergehen. Nicht in der Kostenexplosion, nicht in der Migration und nicht in dem Umgang der Medien mit Wählern, die sich für eine Partei entscheiden, die dem Mainstream nicht passt.
Ich wünsche mir, dass vor der nächsten Wahl alle Politiker in den Duellen oder Quadrillen ausreden dürfen und dass Wähler nicht mehr in irgendwelche Schubladen gepresst werden. Ich wünsche mir, dass ein Kanzler Merz Deutschland wieder ein Stückchen näher an die Zeit vor 2015 heranführt: Ich habe ein Leben in Erinnerung, das bezahlbar und das, im Vergleich zu heute, nicht von so vielen Sorgen geprägt war.
Viele Wähler werden ein „weiter so“ nicht akzeptieren. Friedrich Merz hat es in der Hand, das Land wenigstens ansatzweise zu dem werden zu lassen, das es einmal war. Die Jahre bis zur Bundestagswahl 2029 werden spannend. Denn wenn der Kurswechsel nicht gelingt, hält auch diese Regierung womöglich keine vier Jahre durch. Eine Dauerkrise und ein weiterer Abstieg wären schade, für ein Land, das einst Dichter und Denker formte und das für sein „Made in Germany“ weltberühmt war.

Dies ist der erste von drei Beiträgen zu meiner Trilogie „Deutschland nach der Ampel“. Hier liest du die beiden anderen Artikel:
- Deutschland in der Krise: Wohin steuert unser Land?
- Politiker der Ampel: Wenn Fehler die Karriere beenden

Beitragsbild © benjaminkerber | pixabay