Amrum: Film über die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges

Amrum: Film über die letzten Tage des Zweiten Weltkrieges

Nanning lebt mit Mutter, Tante und zwei jüngeren Geschwistern auf der Insel Amrum. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges ist das Essen knapp und die Hoffnung auf ein baldiges Ende groß. Doch nicht bei allen: Nannings hochschwangere Mutter verehrt den Nationalsozialismus und verweigert die Nahrungsaufnahme mit Ausnahme eines Snacks, den sie sich wünscht. Nanning entwickelt einen Plan, wie er seiner Mama den Wunsch erfüllen kann. Lebensmittel sind rar, auf Amrum. Nanning ist auf sich allein gestellt: Mit der Natur, den Bewohnern der Insel, aber auch mit seinem Außenseiterstatus. Seine Familie lebt in Hamburg und ist vor den Zerstörungen in ein Haus der Vorfahren nach Amrum geflüchtet. Der Film lebt von dem Spiel der genialen Schauspieler, aber auch von dem Bewusstsein, dass es sich um eine wahre Geschichte handelt.

Amrum: Offizieller Filmtrailer (Quelle: Youtube)

Amrum: Das Wichtigste in Kürze

  • Kinostart: 09.10.2025
  • Drama: FSK 12
  • Dauer: 93 Minuten
  • Hauptdarsteller: Jasper Billerbeck, Laura Tonke, Diane Kruger
  • Regisseur: Fatih Akin
  • Deutschland, Warner Bros

Drei Facts zum Film

  • Verfilmung der Kindheitserinnerungen von Hark Bohm, der auf Amrum lebte
  • Eine Riege grandioser Schauspieler besetzt Nebenrollen: Der Junge Nanning dominiert die Handlung
  • Die Liebe des Jungen zu seiner Mutter und seine Ideen, mit denen er ihren kleinen Wunsch zu erfüllen versucht, sind tief berührend

Sehenswert?

Auf jeden Fall anschauen! Der Film berührt aufgrund der sensiblen Handlung und des eindrucksvollen Spiels von Jasper Billerbeck, der bislang noch nicht als Schauspieler in Erscheinung getreten war. Du gehst nachdenklich aus dem Kino und bist deinen Vorfahren nah, in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges Kinder waren


Das Leben einer Familie zum Kriegsende

Es sind die letzten Tages des Zweiten Weltkrieges, im Mai 1945. Viele Menschen auf der Insel Amrum haben Hoffnung, dass es bald vorbei ist. Dass Deutschland kapitulieren könnte, spielt nur eine untergeordnete Rolle. Heimlich hören einige in ihren Scheunen Radiosender, die verboten sind. Doch es gibt auch jene, die Hitler nach wie vor verehren und von der Kapitulation Deutschlands nichts wissen wollen. Nannings Mutter Hille gehört dazu. Als sich Tessa Bendixen, eine Frau aus dem Dorf, über eine mögliche Kapitulation äußert, schwärzt Hille sie beim Kommandanten an. Ihr wird ein Verfahren angedroht. Doch Tessa nimmt ihn nicht ernst. Sie weiß, dass es dazu nicht mehr kommen wird und dass sie als Kartoffelzüchterin gebraucht wird.

Nanning ist der Älteste von drei Kindern. Seine Mutter ist mit dem vierten Kind hochschwanger. Im Verlauf der Handlung entbindet sie und verfällt aufgrund der düsteren Lage der deutschen Wehrmacht in eine tiefe Depression. Ihr Mann ist in Gefangenschaft, er schreibt in Briefen, dass es ihm gut ginge. Seiner Familie geht es nicht gut. Auf der Insel ist es schwierig, Nahrungsmittel aufzutreiben. Hinzu kommen Flüchtlinge aus den Ostgebieten, die als Eindringlinge gelten, die Ablehnung der Familie von Nanning, die als zugezogen gilt, und die eigene Familiengeschichte, die allerdings etwas undurchsichtig bleibt.

Kindheitserinnerungen von Hark Bohm

Hark Bohm wollte ursprünglich Jurist werden. Doch dann wandte er sich der Schauspielerei zu und arbeitete als Regisseur. Zudem ist er emeritierter Professor für Film am Institut für Theater der Universität Hamburg. Mit dem Regisseur Fatih Akin ist er seit vielen Jahren befreundet.

Im Film werden Bohms Kindheitserinnerungen erzählt. Geboren in Hamburg, wuchs er auf Amrum auf, weil die Familie aus der zerstörten Stadt auf die Insel in ein Haus ihrer Vorfahren flüchtete. Im Film wird es nicht genannt. Bohm ist in Norddorf aufgewachsen. Er lebte mit seiner Mutter Hildegard, seinen jüngeren Geschwistern und seiner Tante in dem Haus. Da Bohm im Jahre 1939 geboren wurde, war er zum Ende des Krieges gerade einmal sechs Jahre alt. Nanning, der Junge im Film, ist doppelt so alt

Eine Romanvorlage gibt es zu dem Film nicht. Hark Bohm hat nicht als Schriftsteller gearbeitet. Gemeinsam mit Fatih Akin schrieb er das Drehbuch. Ursprünglich wollte Bohm die Regie selbst übernehmen, aber sein Gesundheitszustand ließ es nicht zu. Er ist in der letzten Szene des Films am Strand von Amrum zu sehen.

Erste Schauspielerriege in kleinen Nebenrollen

Es verwundert, dass Matthias Schweighöfer, der einen nach Amerika ausgewanderten Onkel spielt, nur in einer Traumszene und auf einem Foto zu sehen ist. Und dass die international tätige Diane Kruger in einem deutschen Film eine kleine Nebenrolle spielt, die auf einen Kartoffelacker und wenige Dialoge beschränkt ist. Es ist die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Akin, die diese Besetzung möglich machte.

Für den Hauptdarsteller Jasper Billerbeck ist es die erste Filmrolle überhaupt. Und er füllt sie grandios, berührend und sehr authentisch aus. Der Junge dominiert die Handlung. Er ist in nahezu jeder Szene zu sehen. Seine Bemühungen, für die Mama das Essen zu besorgen, das er sich wünscht, sind rührend. Die Dankbarkeit, die er zu Hause von Mutter und Tante erfährt, wird seinem Einsatz nicht gerecht.

Linda Tonke, Detlef Buck und Lisa Hagemeister spielen die Rahmenhandlung

Ein unbekannter Kinderdarsteller trägt die Handlung, während namhafte Schauspieler in Nebenrollen agieren. Dies ist eine Besonderheit des Films, der eine sehr tiefgründige Geschichte erzählt. Allerdings erst auf den zweiten Blick. Das gute Schauspiel der Stars bringt hervor, was zunächst gar keine so hohe Relevanz hat: Die Liebe des Jungen zu seiner Mutter, die mit sich selbst beschäftigt ist und die Zuneigung ihres ältesten Sohnes nicht erwidern kann. Die Tante hat nur Ermahnungen für ihn übrig. Aber Nanning lässt sich nicht beirren. Er möchte seiner Mutter helfen. Dieser Gedanke trägt ihn und lässt ihn im Verlauf der Handlung viele Widrigkeiten überstehen.

Du kannst dir deine Eltern nicht aussuchen

Mit diesem Satz wird der Regisseur Fatih Akin zitiert. Er soll ihn während der Dreharbeiten zu der Mutter des Hauptdarstellers Jasper Billerbeck gesagt haben. Die Mutter von Nanning glaubt an den Nationalsozialismus. Erst am Ende des Films entfernt sie ein Porträt des Führers von der Wand und wirft es in den Ofen. Sie bekommt ihr viertes Kind mit der Unterstützung ihrer Schwester, ohne ärztlichen Beistand, und mag aus ihrem Wochenbett gar nicht aufstehen. Die Nachrichten aus dem Radio von der vorrückenden Roten Armee befeuern ihre Depression. Ihr Mann, ein Offizier der SS, ist in Gefangenschaft. Sie muss ihr Leben allein meistern. Das schafft sie nicht. Ihr Sohn ist in rührender Weise bemüht, sie zu unterstützen.

Nanning stellt sich allen Widrigkeiten

Er erfährt erst nach und nach von der politischen Einstellung seiner Eltern. Doch das trübt die Liebe zu seiner Mutter nicht. Er wurde in die Familie hineingeboren und ist zu jung, um die Zusammenhänge zu verstehen. Dass das Ende des Krieges in der Nachbarschaft für enthusiastische Freude sorgt, während Mutter und Tante sich in ihrem Haus verschanzen, entmutigt ihn nicht. Die Freundschaft zu Hermann, einem gleichaltrigen Jungen, bekommt Risse, weil Hille dessen Mutter Tessa kurz vor Kriegsende an die Nazis verrät. Nanning muss sich mit Flüchtlingen auseinandersetzen, die stehlen, und mit der eigenen Herkunft: Ihm wird vorgeworfen, nicht dazu zu gehören, weil er nicht auf Amrum geboren wurde. Doch die Familie ist dort seit sieben Generationen verwurzelt. Im Ansehen der anderen hilft ihm das nicht.

Robben, Kaninchen und das Watt

Für den Wunsch, seiner Mutter eine Freude zu machen, nimmt Nanning alles in Kauf. Er fängt Kaninchen, hilft bei der Robbenjagd und wagt sich hinaus auf das gefährliche Watt. Mit dem Hintergrundwissen, dass der Junge Hark Bohm erst sechs Jahre alt war, bekommt die Handlung noch einmal eine andere Dimension. Er kennt sich aus, in der Natur und im Watt. Was er nicht kann, erlernt er tapfer. Die Geschichte seiner Familie nimmt er ohne eine Regung auf. Unbeirrt und mit sehr viel Stärke geht er seinen Weg weiter.

Nanning wird mit dem Tod konfrontiert und mit einem Onkel, der mit seiner jüdischen Frau das Land verließ. Sein Freund Hermann zeigt ihm, dass er aus einer Familie mit hoher gesellschaftlicher Stellung stammt. Doch das lässt ihn kalt. Er möchte seiner Mutter helfen. Nichts weiter. Und so erzählt der Film von der Liebe eines heranwachsenden Jungen, der es egal ist, welche politische Einstellung die Eltern haben.

Aus Kinderaugen betrachtet

Die Handlung wird während der gesamten Länge des Films aus der Sicht von Nanning aufgerollt. Die Kinderaugen sehen in einer der ersten Szenen Bomber, die Ballast im Meer abwerfen und die Insel überfliegen. Die Jungen wissen das, sie haben keine Angst.

Nanning sieht seine Mutter, erschöpft von der Schwangerschaft und den widrigen Lebensumständen, und gebrochen nach der Niederkunft, weil ihre Kinder in einer ungewissen Zukunft aufwachsen müssen. Dieser Blick des Jungen macht den Film zu einem besonderen Dokument. Er holt uns, die wir diese Zeit aus den Erzählungen der Großeltern kennen, eine Realität zurück, die mit jedem Jahrzehnt ein wenig ihrer Existenz verliert.

Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen. Menschen, die heute 80 Jahre alt sind, haben an den Krieg keine Erinnerung mehr. Umso wichtiger ist es, die Erinnerungen der Lebenden festzuhalten. Das macht Filme wie diesen so wertvoll.

Der Amrum Film – ein sehenswertes kleines Meisterwerk

Ich habe mich gefreut, als ich las, dass der Film als deutschsprachiger Beitrag für die Oscars 2026 eingereicht wurde. Ob er eine Nominierung bekommen wird, bleibt abzuwarten. Bei der Vorstellung auf dem Filmfestival in Cannes bekam er ebenso gute Kritiken wie auf dem kritischen Portal „Rotten Tomatoes“. Dort erreichte der Amrum einen Wert von 92 Prozent. Das ist außergewöhnlich viel.

Du wirst beim Anschauen des Films mit einem friesischen Dialekt konfrontiert. Teile haben in den Untertiteln eine deutsche Übersetzung. In den 1940er-Jahren sprach die Landbevölkerung Öömrang. Er ist nur auf Amrum verbreitet. Akin wollte das Leben im Jahre 1945 möglichst authentisch darstellen.

Amrum ist ein kleines Meisterwerk, das berührt, unter die Haut geht und nachdenklich stimmt. Du solltest es dir unbedingt anschauen: Im Kino oder später, im Stream oder nach dem Kauf. IN unserer Sammlung wird Amrum einen festen Platz bekommen. Es ist ein Film, den wir uns immer wieder anschauen möchten.

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TS 2025-51

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