N-Wort und Z-Wort – Dieter Hallervorden spielt „Palim-Palim“
Das N-Wort und das Z-Wort gehörten ebenso zu meiner früheren Kindheit wie der Palim-Palim-Sketch des Komikers Dieter Hallervorden. Der, wie er von sich selbst sagt, ein sehr politischer Mensch sei. Dem Zufall hat er die Wandlung seines Sketches aus dem Jahre 1977 definitiv nicht überlassen, als er im April 2025 in der ARD-Jubiläumsshow als einer der größten Komiker auftrat. Er spielte seinen Sketch live noch einmal nach und löste eine Empörungswelle in zwei Richtungen aus: Die gespaltenen deutschen Lager gingen aufeinander los. Es ist richtig, dass Sprache einem permanenten Wandel unterliegt. Aber so?

Wenn Sprache rassistisch ist
Nach Otto Waalkes ist nun Dieter Hallervorden an der Reihe. Wieder geht es um die Sprache in Sketchen der 1970er und 1980er-Jahre. Wieder ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Form des Ersten Deutschen Fernsehens, auch ARD genannt, Stein des Anstoßes.
Die Unterschiede beider „Skandale“ sind klein, aber fein: Otto war unschuldig, Didi hat provoziert. Bei Otto war es der regionale WDR, bei Didi der Hauptsender ARD. Beide Male geht es im sprachliche Diskriminierung. Im Jahre 2023 hatte ich das in einem anderen Artikel hatte ich das schon einmal thematisiert, weil ich den Stein des Anstoßes nicht verstehe. Nicht als Bürgerin dieses Landes, nicht als Germanistin und schon gar nicht als Kind der DDR.
Dieses Unverständnis teile ich mit „anderen“Gleichgesinnten“, die sich zu dem vermeintlichen Skandal geäußert haben. Denn Dieter Hallervorden bekam nicht nur Kritik, sondern auch ganz viele Dankeschön’s. In den sozialen Netzwerken und in den Medien.
Das ist die gute Nachricht: Nicht ganz Deutschland ist woke. Aber der Teil, der die Meinung vertritt, dass Dieter Hallervorden ein Rassist ist, der vertritt sie sehr laut und entrüstet.
Die alten weißen Männer
Immer wieder stehen die vermeintlich „alten weißen Männer“ im Fokus der Empörung: Ein Thomas Gottschalk fällt mit seiner Meinung regelmäßig aus der Reihe. Allerdings fliegt ihm weniger Sympathie zu, als den beiden Komikern. Vielleicht liegt es daran, dass er in der Wetten dass…?-Zeit den Frauen regelmäßig ans Knie fasste. Dabei war er gar nicht so ein Schürzenjäger: Bekannt sind zwei Ehen, Affären sind nicht überliefert. Sein loses Mundwerk gehört zu ihm wie die blonden Locken, die mittlerweile kürzer geworden sind. Es wird ihm immer wieder zum Verhängnis: Entnervt gab er zu Beginn des Jahres 2025 den Podcast mit seinem Freund und Kollegen Mike Krüger auf.
Dieter Hallervorden gehört auch zu denen, die sich den Mund nicht verbieten lassen. Er bezeichnet das Gendern als „künstlichen, politisch motivierten Eingriff“, der die deutsche Sprache „vergewaltigen“ würde. Ich stimme ihm zu, da ich nicht gendern möchte und das auch nicht gern lese. Sachbücher, die mit Sternchen, Doppelpunkten oder überbordend weiblicher Sprache gefüllt sind, bewerte ich auf Amazon regelmäßig als negativ. Und auch da bin ich nicht die Einzige.
Aber kommen wir zurück zu dem „Alten weißen Mann“. Es ist ein Begriff aus den 2010er-Jahren, der aus den USA überschwappte, weil Männer mit grauen Haaren und heller Haut über das Leben von Frauen mit dunkler Haut bestimmten. In Deutschland ist die Bezeichnung nicht ausschließlich rassistisch motiviert, wird aber häufig in die Nähe gerückt.
Im Jahre 2024 thematisierte ein Film mit eben diesem Titel – Alter weißer Mann – mit Jan Joseph Liefers in der Hauptrolle das Klischee, dass Herren in ihren besten Lebensjahren gern von einem Fettnäpfchen ins nächste treten. Oft sind es Begriffe, die nicht mehr verwendet werden sollten. Und wer bestimmt das? Oft sind es die Jüngeren, die sich angegriffen fühlen und sehr deutlich ihre Meinung kundtun. So auch in der Causa Dieter Hallervorden.
Wir sind eine andere Generation
Ich störe mich an der Bezeichnung des „Alten Weißen Mannes“ und an den Diskussionen um das N-Wort und Z-Wort. Ich verstehe die Kritik an Dieter Hallervorden, an Thomas Gottschalk und anderen Prominenten aus der Generation nicht, die meine Kindheit interpretieren und zu meinen Idolen gehörten. Meiner Meinung nach ist eine Generationenfrage. Im Germanistikstudium haben wir den Sprachwandel intensiv behandelt. Er ist nicht nur normal, er ist sogar Gesetz. Was wir dort jedoch nicht lernten, ist, dass der Wandel der Sprache durch eine Minderheit durchgesetzt wird, die uns Worte verbietet und uns eine falsche grammatikalische Schreibweise vorschreibt.
Kommen wir zum Kern des Aufschreis: Dieter Hallervorden wehrte sich gegen die Bevormundung, indem er einen seiner bekanntesten Sketche umdichtete. Er führte ihn bei einer Aufzeichnung einer ARD-Show zum 75. Jubiläum des Senders live auf der Bühne auf. Die Kritik am Sender ist harsch: Die ARD hätte die Option gehabt, die betreffende Passage herauszuschneiden. Didi wäre ein Rassist, der Worte benutzt, die Minderheiten diskriminieren. Aber was genau hat er sich zu Schulden kommen lassen?
N-Wort und Z-Wort in einem alten Sketch
Palim-Palim umschreibt eine Türklingel, die wir heute bestenfalls in kleinen privaten Läden hören. Dies ist kein Zufall, denn derartige Klingeln waren einst in Tante-Emma-Läden installiert. Didi Hallervorden machte sich das Geräusch für einen Sketch zu Eigen, der im Jahre 1977 in seiner Sendung „Nonstop Nonsens“ ausgestrahlt wurde. Du kannst ihn unter diesem Link auf YouTube abrufen:
https://youtu.be/iZNOk7upy7A?si=GMaGJ_iOSu02EPmm
Der Anfang des Sketches ist schnell erzählt: Didi sitzt mit einem Mithäftling – Gerhard Wollner – im Knast. Es ist so langweilig hier, beginnt Didi die Parodie. Sein Kompagnon macht den Vorschlag, Kaufmannsladen zu spielen. Die Klingel Palim-Palim ertönt, wenn der Kunde den Laden betritt.
Bei seinem ARD-Auftritt wandelte Didi Hallervorden den Sketch ab. Er würde inhaftiert sein, weil man Zigeunerschnitzel und Negerkuss nicht mehr sagen dürfe. Dabei nimmt er sich die Freiheit heraus, beide Worte auszusprechen.
Das Publikum reagiert nicht auf den Ausspruch: Weder mit Applaus noch mit Protest. Der Applaus erscheint am Schluss des Sketches. Weder Moderator Kai Pflaume noch Gäste wie Günther Jauch oder Barbara Schöneberger gehen auf den umgedichteten Beginn des Sketches ein. Die Empörung baute sich somit nicht in der Sendung auf, sondern, wie so oft, in den sozialen Netzwerken. Mittlerweile ist der Sketch auf YouTube in einer ungekürzten Fassung zu sehen. Schau ihn dir an und bilde dir selbst eine Meinung.
Didi – ein politischer Mensch
Schon immer war Dieter Hallervorden ein politischer Mensch. Vielleicht liegt es an seiner Biografie: Geboren in Dessau, nahm er nach dem Abitur im Jahre 1953 an der Humboldt-Universität sein Studium auf. 1958 wechselte er aufgrund der eingeschränkten Meinungsfreiheit in der DDR nach West-Berlin und schloss das Studium an der Freien Universität Berlin ab.
Ich habe Nonstop Nonsens in den 1970er-Jahren gemeinsam mit meinen Eltern im Fernsehen gesehen und Didis Sketche schon damals, ich war noch ein Kind, geliebt. In den 1980er-Jahren hatte er einen Auftritt bei Wetten dass…? Ich weiß noch, dass mich seine Ernsthaftigkeit enttäuschte: Von seinem Komikerkollegen Otto war das Publikum gewohnt, dass er jederzeit zu Scherzen aufgelegt war. Dieter Hallervorden präsentierte keinen einzigen seiner Scherze.
In Ermangelung von Mut, sich über die wirklichen Missstände zu erregen, weil diese anzuprangern grade nicht in Mode ist, ereifert man sich über einen Komiker, der auf einem Knastbett sitzt und einen berühmten Sketch mit neuem Text beginnt.
Dieter Hallervorden zur Presseagentur dpa
Auf seinen Accounts bei Facebook und Instagram bedankt er sich bei der ARD für die unzensierte Ausstrahlung und legt nach:
Woke Menschen von heute versuchen ängstlich, nicht aus der Reihe zu tanzen, befolgen akribisch alle Social-Media-Gebote, um keine Likes aufs Spiel zu setzen und verstehen keine Satire mehr, weil Satire aus Angst vor Missverständnissen nicht mehr vorkommt.
In Ermangelung von Mut, sich über die wirklichen Missstände zu erregen, weil diese anzuprangern nicht gerade in Mode ist, ereifert man sich über einen Komiker, der auf einem Knastert sitzt und einen berühmten Sketch mit neuem Text beginnt: Uiuiuiui, ich habe dies gesagt und das gesagt, und das darf man heute alles nicht mehr tun, das hab ich irgendwie verspielt und nun sitze ich im Bau.
Wer weiß, vielleicht könnte das durchaus bald passieren , weil solche Bestrafung von den wirklichen Verfehlungen unserer Zeitenwende ablenkt.
Dieter Hallervorden am 6. April 2025 auf Facebook und Instagram
Lets Dance Jurorin und Tänzerin Motsbi Mabuse bewertete diesen Post als peinlich. Doch viele der mehr als 5.000 Kommentare danken Dieter Hallervorden für seinen Mut und für die Unverfrorenheit, mit der er seine Kritik an woken Themen immer wieder zum Ausdruck bringt.
Mit 89 Jahren ist ein Mensch gefestigt
Zur Zeit der Ausstrahlung des Sketches war Dieter Hallervorden 89 Jahre alt. Im September feiert er runden Geburtstag. In diesem Alter ist ein Mensch gefestigt, gerade dann, wenn er sich schon immer gern politisch geäußert hat. So werden ihn die Meinungen von Mossi Mabuse & Co nur wenig kümmern. Und das ist, finde ich, auch gut so!
Was ändert die Sprachenpolizei?
Ich verwende die Worte Zigeunerschnitzel und Negerkuss jetzt einmal ganz bewusst, weil ich damit aufgewachsen bin. Das ist jetzt schon ziemlich lange her. In der DDR kannten wir für beides keine anderen Begriffe. Und niemals habe ich mit ihnen einen Menschen assoziiert. Ich sehe die Süßigkeit vor mir, die es ohnehin nur am 1. Mai in begrenzter Anzahl zu kaufen gab, und ein Schnitzel mit leckerer Letscho-Soße. In Ermangelung des Tomatenketchups war sie in meinem verschwundenen Heimatland sehr beliebt.
Die Frage, die ich mir stelle, ist: Was ändert es, wenn wir Gerichte umbenennen oder Sterne mitten in ein Substantiv setzen, weil sich sonst irgendwer nicht angesprochen fühlen könnte? Sorgen diese sprachlichen Veränderungen wirklich für weniger Rassismus oder bewirken sie nur eine weitere Spaltung der Gesellschaft? Die Mehrheit der Betroffenen soll sich diskriminiert fühlen. War das vor 30 oder 40 Jahren auch schon so? Oder wird die Debatte von einer jungen Generation angestoßen, die im Wohlstand aufgewachsen ist und keine wahren Probleme mehr kennt?
Die Verfehlungen unserer Zeit
Dieter Hallervorden stellt in den Raum, dass die Diskussionen von den wahren Verfehlungen unserer Zeit ablenken sollen. In seinem langen Post vom 6. April 2025 schreibt er weiter:
Wenn Wokeness bedeutet „Wachsamkeit für Missstände“, so wäre es wünschenswert, dass sie ihre Aufmerksamkeit auf die eine oder andere Realsatire unserer Zeit lenkt, die leider gar nicht satirisch gemeint ist, sondern mit feierlichem Ernst verkündet wird:
Die Bundesregierung nimmt gerade den Tod von tausenden von jungen Menschen billigend in Kauf, denkt darüber nach, dass die Streitkraft um 70.000 Soldat:innen erweitert werden müsse, denn die Nato hat letzte Woche ausgerechnet, dass an der „Ostfront“ täglich 5.000 Soldat:innen sterben werden. Ich gehe jede Wette ein, dass … man „Kanonenfutter an der Ostfront“ im Zuge unseres neuen Demokratieverständnisses nicht sagen darf.
Dieter Hallervorden am 6. April 2025 auf Facebook und Instagram
Vielleicht liegt es daran, dass ich im Osten aufgewachsen bin, dass ich mittlerweile der reiferen Generation angehöre oder dass ich den Didi einfach verehre: Ich bin seiner Meinung, weil ich ebenso wie er denke, dass wir gerade jetzt ganz andere Probleme haben, über die wir so lautstark diskutieren sollten. Das tun wir aber nicht. Warum ist das so?
Ich bezweifle, dass Rassismus aus der Bezeichnung für Lebensmittel erwachsen ist. Wer in diese Richtung denkt, wird das nicht ändern, nur weil wir jetzt einen Schaumkuss oder ein Paprikaschnitzel kaufen oder serviert bekommen. Aber die medienbestimmenden Diskussionen lenken so herrlich ab, von dem, was um uns herum passiert und was wirklich diskussionswürdig wäre.
Eine bewusste Provokation
Selbstverständlich hat sich auch die ARD zu der Diskussion geäußert.
In seiner Rolle als Häftling thematisierte er überspitzt den Wandel der Sprache und verwendete dabei Begriffe, die heute aus guten Gründen nicht mehr zeitgemäß sind – in diesem satirischen Kontext jedoch bewusst als Provokation gesetzt wurden.
Stellungnahme der ARD zum Sketch von Dieter Hallervorden
Selbstverständlich wendet sich die ARD gegen jede Form von Rassismus und steht für jede Form der Vielfalt und Kunstfreiheit. Dem schließe ich mich an. Außerdem wünsche ich mir, dass diese Diskussionen irgendwann weniger werden und wir uns um die wahren Nöte unserer Zeit kümmern können. Damit hätten wir in den 20er-Jahren des 21. Jahrhunderts genug zu tun.

Beitragsbild © Clipper-Free-Vektor-Images | pixabay